Eßkastanie (Castanea vesca, Castanea sativa) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Familie: Fagaceae (Buchengewächse) engl.: Sweet Chestnut frz.: Chataigne span.: Castana ital.: Castagna pfälzisch: Keschde, Kescht, Käschde, Eßkeschde, zahme Keschde, Edelkeschde Fruchthülle: Iggele (Vorderpfalz), Ach(e)le (Deidesheim,Wachenheim), Stachelpeter (Hettenleidelheim), Ballekeschde (Bad Dürkheim) beim Zusammensitzen vieler Hüllen. Keschdebrieh = Kastaniengemüse Kastanien zählen obstbaulich zu Schalenobst, bei Plinius und Vergil"nux Castanea" genannt, Name von Castanna in Thessalien (Mittelgriechenland) oder von dem armenischen kaskeni. Arten: (insgesamt 13 Arten)
Nicht verwandt mit der Roßkastanie (Aesculus hippocastanea): Tierfutter für Pferde Alte pfälzische Anschauung (schon 1713 von Lonicer erwähnt), dass der Genuss von rohen Kastanien bei Kindern Kopfläuse hervorrufe, mehr erzieherisch gedacht, denn roh gegessene Kastanien sind nur schwer verdaulich und stark blähend, sie sind hart und unangenehm zu kauen, der Gehalt an Saponinen macht die Zähne stumpf und vermittelt einen herben Geschmack. Erklärung von Apotheker Wirsung im neuen Arzneibuch von 1582: “Ursach dieser verdrießlichen Würmlein und ihres Wachsens im Haar / mag sonderlich von viel Essen (und nicht wol däuwen (schwer verdaulich) /also solchen Speisen seyn / die viel Überfluss haben (stopfend wirken) / also Früchten sonderlich Kesten und Feigen.” Unterscheidung Kastanie - Marone - Die Kastanie ist kleiner, weniger haltbar, - Schale dunkler, Fleisch tiefer eingekerbt - Haut schwerer abtrennbar - segmentiert in zwei Teile
Beheimatet im östlichen Mittelmeer, Kleinasien, Transkaukasien, angeblich schon in der Bronzezeit (1500 –1000 v. Chr.) im südlichen Italien vorhanden. Plinius und Galenus sagen, daß sie zuerst von Sardes, nicht weit vom heutigen Smyrna nach Griechenland und von da nach Rom gekommen ist. In der Bibel wurde sie schon erwähnt, Theophrast und Athenaeus nennen sie euboeische Nuß nach der Insel Euboea. Tertiäre Funde sind Castanea atavia (nicht der Eßkastanie ähnlich). Wahrscheinlich von den Römern nicht über die Alpen gebracht, denn in Südfrankreich standen schon 400 v. Chr. Kastanien in Kultur (600 v. Chr. haben die Griechen Marseille gegründet, in der Zeit auch den Weinbau und die Kastanien mitgebracht). Von da aus dem Rhonetal folgend zu uns gekommen, also nicht vom Süden, sondern vom Südwesten her eingeführt. In Frankreich und Spanien wurden viele alte Kirchen mit Kastanienholz gebaut. Demzufolge müssen dort in frühchristlicher Zeit schon Kastanienwälder vorhanden gewesen sein. In der Schweiz erst 1340 zum ersten Mal erwähnt. In der Südschweiz fehlt die Kastanie ganz (abgesehen von den Castanarios im Garten des Klosters von St. Gallen 820 n. Chr.). Die heutige Kastanie war schon vor 500 n. Chr. in der Pfalz vorhanden. Bei Funden aus der Römerzeit waren in Mainz Kastanien gefunden worden. Das Dorf Kestenholz im Elsaß wurde im Jahr 679 als Castinetum gegründet. Kaiser Heinrich I I . hat um das Jahr 1015 seiner Reichsfeste bei Neustadt den Namen Kästenburg gegeben (=Hambacher Schloß). Albertus Magnus (1200 n. Chr.) erwähnt die Kastanie im Rheingebiet und besonders die außerordentliche Ausschlagkraft der Wurzeln gefällter Bäume. Seit 1473 am Haardter Schloßberg Kastanien in Sorten vorhanden. Gewannenamen: Keschdeberg, Keschdedell, Am Keschdebaam. Seit 1500 im Heidelberger Medizingarten verschiedene Sorten. Im 16. und 17. Jahrhundert Rückgang der Flächen durch Kriege und Ausweitung der Rebflächen (Holzpfähle). In Dannenfels de dick Keschdebaam (8,60 m Stammumfang, 600 Jahre alt). Brauchtum Dort Keschdekerb, Mittagessen Keschdegemies, Keschdebrieh. Neckname für die Dannenfelser: “Keschdekepp”. Früher bei Weinlese Kastanien ins Feuer und oft gemeinsam mit Kartoffeln verzehrt, Bitzler dazu (von da der Spruch: “Kastanien aus dem Feuer holen”). “Wanns Keschde gibt, gibts ach Woi” - “Wanns gude Keschde gibt, gibts ach gude Woi” Standort Kastanie meidet kalkhaltige Böden, gedeiht am besten auf Verwitterungsböden des Buntsandsteines. Ausgesprochene Sonnenlagen werden gemieden, kalibedürftig. Kieselsäurereiche Böden (Porphyr, Sandstein, Granit) mit pH-Werten von 4,5 bis 6,0 werden bevorzugt. Nicht frostempfindlicher als Apfel (-15 bis -17 °C). Auch außerhalb von Weinbauklimaten gedeihend, dort jedoch schlechter fruchtend. Jungtriebe und einjähriges Holz gegen Spätfröste empfindlich, jedoch später Austrieb. Braucht viel Licht und Wärme, an Südhängen jedoch meist nicht vertreten. Rund 700 mm Niederschlag.
Morphologisches Baum wird 25 bis 30 m hoch, Stämme fast alle drehwüchsig, Rinde anfangs glatt, olivbraun im Alter tiefe Längsrillen, bräunlich-grau. Blüten einhäusig, getrenntgeschlechtlich, mit eigenartigem Geruch, erfüllt den Haardtrand. Männliche Blüten als 10 bis 20 cm lange Kätzchen in Knäulen. Dahinter die weiblichen Blüten, schon sehr früh ausgebildet als Achel (= Fruchthülle = Capula). Blüte Anfang Juni bis Ende Juli mit den Reben. Bestäubung durch den Wind, auch durch Insekten. Gute Befruchtung nur bei warmem und trockenem Wetter. Castanea sativa meist selbstunfruchtbar, da männliche und weibliche Blüten nie zur derselben Zeit reifen. Deshalb immer mehrere Sorten zusammenstellen. Fruchthülle (Achel) mit 1 bis 3 Früchten anfangs grün, später bräunlich-gelb, vierlappig aufspringend, weich-stachelig, zu 1 bis 3 zusammenstehend. Reifezeit von Mitte September bis Anfang November. Erste Früchte ab dem 15. bis 20. Jahr, veredelte Sorten schon ab dem 3. Jahr. Die beste Fruchtproduktion mit etwa 100 Jahren, ab 200 Jahren geht der Ertrag deutlich zurück. Sehr starke Regenerationskraft. Lagerung in feuchtem Sand einschichten, bei Kellertemperatur lagern, im Kühllager bei 0 °C 6 Monate haltbar
Vermehrung Verbreitung der Früchte durch Krähen, Eichelhäher, Eichhörnchen, Siebenschläfer. Pflanzen daraus fallen nicht sortenecht an. Über Winter im feuchten Sand halten, zur Anzucht Früchte 8 Tage lang in Wasser einlegen, im Frühjahr im Freiland aussäen (20 x 20 cm). Nach dem ersten Standjahr verschulen. Sorte aufpfropfen oder okulieren (da jedoch starke Kallusbildung), oder Stockausschläge aufschulen Pilzkrankheiten Phytophthora cinnamomi (Tintenkrankheit): Wurzeln verfärben sich durch ausgeschiedene Gerbstoffe blau. Blattvergilbungen, Astpartien sterben ab, vornehmlich im Mittelmeerraum an Castanea sativa Endothia parasitica (Kastanienrindenkrebs): zerstört Rinde und Holz, hat fast alle Kastanien in den USA zerstört (Castanea dentata), heimische Castanea sativa weniger anfällig, aber zunehmende Schäden auch in der Pfalz, Japanische Kastanie (Castanea crenata) resistent, Hybridsorten mit C. cren. in Frankeich (Bournett, Marigoule, Marsol) Wurm in Kastanie ist der frühe und der gewöhnliche Kastanienwickler (vorbeugende Bekämpfung durch Leimring um den Stamm) Kastanienrüsselkäfer Verwendung Charakterbaum unserer Landschaft am Haardtrand, einige Exemplare 300 bis 700 Jahre alt (graue Riesen). Schließt sich an die am Gebirgsrande emporsteigenden Weinberge an, eines der stattlichsten heimischen Laubgehölze. Wildfutter, bes. für Wildschweine (das Fallen der Kastanien erschreckt sie jedoch, sie kommen erst, wenn alle Kastanien abgefallen sind). Bienenweidepflanze (Kastanienhonig) kräftiger Geschmack, sehr pollenreich, 10.000 bis 100.000 Pollen pro g Honig. Holz als Bauholz, Brennholz, Stallstreu, Viehfutter, für Fässer, heute: Verkauf in den Alpenraum als Lawienensicherung. Schon seit dem Mittelalter von Winzern für Weinfässer und als Rebenpfähle genutzt (im 16. bis 17. Jahrhundert Rückgang der Flächen durch die Ausweitung der Rebfläche und der ausschließlichen Verwendung von Kastanienholz als Rebenpfähle). Seit der Römerzeit dafür alle 10 bis 15 Jahre Stockausschläge kahl geschlagen, Wurzeln haben sehr starke Regenerationskraft. Kammertwingert (Wachenheim - Wachtenburg) aus Kastanienholz wie vor 300 Jahren (offener und geschlossener Kammertbau). Barriqueausbau für Rotwein und Schnäpse. Frucht kalorienreiche, vitaminreiche Dauernahrung für den Winter. Sammelfrucht, Armeleutenahrung, vor dem Anbau der Kartoffel wichtiger Stärkelieferant. Aroma nussartig, leicht süß, spez. Zusammensetzung an Kohlehydraten sehr bekömmlich für Diabetiker, sehr niedriger Gehalt an Mineralstoffen (1,1 %) meist Kalium Eiweiß (2,9 %) und Fett (1,9 %), viele Vitamine (Vit. C 25 mg pro 100 g Frucht), Kohlenhydrate (43 %) aus Stärke und Saccarose bestehend, durch Kochen oder Rösten verzuckert sich die Stärke, 210 Kcal/100 g Frucht, frisch 50 % Wasser. Nach Hildegard von Bingen wirken die Blätter, Fruchthüllen und Samen bei Gicht, Kopfweh, Herz-, Leber-, Milz- und Magenbeschwerden. Kraftwirkung des Holzes bei Verwendung als Spazierstock (altgermanisches Erbgut in christlicher Aufmachung). Pulverisierte Rinde mit Honig hustenlindernd, Absud von Rinde und Blatt als Gurgelwasser, gut gegen Durchfall. Absud der Blätter Heilmittel gegen Fieber, Husten, Erkrankungen der Atemorgan. Holz praktisch fäulnisresistent, gerbstoffreich (Leder gerben)
Keschde unn Neie Woi (nur Bitzler = angegorener Most): Keschde kreuzweise einschneiden, in Salzwasser 15 min kochen, heiß schälbar, auch Haut unter der Schale, Bitzler dazu trinken. Bei Weinlese Kastanien ins Feuer (Kastanien aus dem Feuer holen). Ganze, gekochte, geschälte Kastanien in Rotkraut, ins Gansinnere füllt man geschälte Kastanien, auch zu Wild, als Dessert, ins Brot ganze geschälte Früchte. Seit 1873 stellt man in Edenkoben aus Kastanienblättern einen Keuchhustensaft, das Castanin (Extr. fol. cast. fluid Schmidt-Achert) her.
Erzeugung, Handel Welternte rund 500.000 t. Produktion in: China, Portugal, Korea, Frankreich, Türkei, Rumänien, Italien, Griechenland, Spanien. 50 % der Importe nach Deutschland aus Italien, 30 % aus Frankreich, daneben aus Spanien und der Türkei Sorten Am Haardtrand meist Sortengemisch da gibt es: früh- und spätreifende, groß- und kleinfrüchtige, hell- und dunkelschalige, mit stark- oder schwachbewehrten Acheln, hell- und dunkelblättrige mit hochstrebendem oder gedrungenem Wuchs Französische Sorten Doree de Lyon: Sämlingsselektion (Lyon), verbreitet in Südostfrankreich, veredelt nicht zu stark wachsend, frühreifend, A-M Oktober, 2 bis 3 Früchte in Hülle, Fruchtfleisch goldgelb, zartsüß, selbstunfruchtbar Nouzillard: Zufallssämling, verbreitet in Süd- und Westfrankreich, Wuchs mittelstark, aufrecht, reift Mitte Oktober, schmeckt sehr gut, 1 bis 2 kantige Früchte in Hülle Fruchtfleisch gelblich, sehr guter Geschmack, nur für warme Standorte 1. Sortenkombinationen im Südwesten Frankreichs: (sichere Befruchtung) Sorten: Marigoule, Bournette, Precoce Migoule, Marsol Befruchter: Belle Epine, Marron de Goujounac 2. robuste Sorten für mittlere Höhenlagen (400 bis 500 m) Sorte: Combale Befruchter: Verdale, Dore du Lyon, Laguepie Ungarische Sorten: aus Castanea sativa, Versuch über 20 Jahre bezüglich Widerstandsfähigkeit und Fruchtbarkeit. Auch außerhalb von Weinbaugebieten Iharosberenyi2 früh und einheitlich reifend, Früchte sehr groß,dunkelbraun, glänzend, Fleischfarbe hellbraun, Geschmack intensiv aromatisch Iharosberenyi 29 spätreifend, Früchte mittelgroß, braun glänzend Iharosberenyi 57 mittelfrüh reifend, Früchte sehr groß, dunkelbraun, Fleischfarbe gelblich braun, starkes Aroma Köszegszerdahelyi 2 mittelfrüh reifend, Früchte einheitlich dunkelbraun, glänzend, länglich Köszegszerdahelyi 29 mittelfrüh und gleichmäßig abreifend, Früchte mittelbraun, glänzend, groß, länglich Nagymarosi 22 sehr früh reifend, Früchte groß, braungelb, glänzend, Fleischfarbe lichtgelb, süß und aromatisch, Schale dünn Nagymarosi 37 Früchte groß, zugespitzt, einheitlich braun und glänzend Nagymarosi 38 spät reifend, Früchte einheitlich groß Rumänische Sorten Biotype 26, Borosteni 1, Hobita Österreichische Sorten Ecker 1 früh einsetzender Ertrag, frosthart, mittelgroße Früchte (gilt als selbstfruchtbar!) Südtiroler Sorten Tisenser Tschechische Sorten Bojar: Selektion aus Wildformen, seit 1991 Sorte, kompakter, walziger Baum, 20 m hoch, 12 m breit, Früchte glänzend, flach, Fruchtfleisch ohne Einschnitte, weiß Mistral: Selektion aus Wildform, seit 1991 Sorte, Baum kugelförmig, Früchte hochgebaut, dunkel Bezugsadressen für Bäume in der Pfalz: Baumschule Ritthaler, Hütschenhausen, Tel.: 06372/5880, fax: 61564 Literatur - Julius Wilde, Kulturgeschichte der rheinpfälzischen Baumwelt. Teil 2: Bäume seit der Römerzeit bis 1500, Pfälzischer Presseverlag, 1936 - Friedrich-Schuricht, Seltenes Kern-, Stein- und Beerenobst, Neumann Verlag Leipzig, 1985 - Stoll-Gremminger, Besondere Obstarten, Verlag Eugen Ulmer, 1986 ______________________________________ |
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