Klimawandel – auf Veränderungen einstellen

Die letzten Winter waren sehr mild, Schnee gab es kaum. Auch die Sommer hatten anderes Wetter als gewohnt: Sehr heiße Tage wechselten sich in schneller Folge mit wesentlich kühleren ab. Nicht nur Menschen hatten mit diesen Temperatursprüngen Probleme sondern auch die Pflanzen! Fehlende Niederschläge machten ständiges Gießen notwendig. Ob es sich dabei um ein nur außergewöhnliches Wetter (= kurzfristiger Zustand, der zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort besteht) handelt oder sich der Beginn eines neuen Klimas (= ein über mindestens 30 Jahre typischer Wetterverlauf an einem bestimmten Ort) anbahnt, wissen wir noch nicht. Klimaforscher gehen davon aus, dass wir im Winter mehr „Regen-“ und im Sommer vermehrt „Trocken“-Zeiten haben werden. In den milden Wintern gibt es dann mehr Vegetationstage, der Herbst verlängert sich, der Frühling beginnt früher. Da der Niederschlag nicht als Schnee fällt, läuft bei starkem Regen mehr Wasser ab, bei Schnee würde es bei der Schmelze langsamer einsickern. Das bedeutet: Trotz des Regens sinken die Wasserreserven im Boden. Im Sommer vermutet man trocken-heiße, aber unstabile Wetterlagen. Extrem-Wetterlagen nehmen vermutlich zu.
Für den Gartenbesitzer heißt dies, sich auf diese neuen Gegebenheiten einzustellen. Eine Möglichkeit ist das Arbeiten mit dem Phänologischen Kalender. Er richtet sich nach dem Entwicklungsstand der Natur und nicht nach feststehenden Terminen, denn Aussaat und Ernte, Austrieb und Blühbeginn einzelner Pflanzen variieren nicht nur von Jahr zu Jahr sondern auch von Region zu Region. Ist es sehr lange kalt, verzögert sich die Entwicklung oft um 1-2 Wochen. Steigen dann die Temperaturen, erscheinen oft explosionsartig überall die Blüten und die Natur hat innerhalb weniger Tage wieder aufgeholt. Dem trägt der Phänologische Kalender Rechnung, indem er sich an der Entwicklung einzelner, typischer „Zeigerpflanzen“ orientiert. Daneben sind aber auch das Erscheinen von Tieren wie z.B. der ersten Bienen oder Schmetterlinge, der erste Kuckucksruf oder die Rückkehr der Rauchschwalben Anhaltspunkte für den Beginn einer neuen Periode. Hier nur einige dieser Anzeichen im Überblick:
JahreszeitKalendarisch oft:Beginn wird angezeigt durch:Landwirtschaft:
VorfrühlingEnde Februar oder Anfang MärzErste Blüte v. Haselnuss, Schneeglöckchen, Schwarzerle, Salweide, die Vollblüte des WinterjasminsBeginn der Feldarbeit, die mit der Aussaat des Sommergetreides endet.
Erstfrühling
(Hochfrühling)
Anfang/Mitte AprilBlüte von Forsythie, Stachel-/ Johannisbeere, danach von Kirsche, Pflaume, Birne, Schlehdorn, Ahorn. Austrieb von Rosskastanie, Birke, ca. eine Woche danach von Rotbuche, Linde, Ahorn.Das Sommergetreide geht auf, Wiesen ergrünen. Die Bauern beginnen mit der Aussaat von Kartoffeln und Futterrüben.
VollfrühlingMaiBlüte von Apfel und Flieder, danach Himbeere. Austrieb von Stiel-EicheFutterrüben, Kartoffeln und Wintergetreide gehen auf.
Frühsommerim JuniBlüte v. Gräsern u. Winterroggen, Wiesen-Fuchsschwanz, Schwarzer Holunder, Weißdorn, Wald-Geißbart, Türkenmohn. Zeit der Heuernte und für viele Allergiker der Beginn der Heuschnupfen-Saison.
HochsommerEnde Juni/ Anfang JuliBlüte von Sommerlinde, Wegwarte, Kartoffel; Reife der Johannisbeeren.Getreideernte
SpätsommerMitte August/Anfang SeptemberReife v. Frühapfel/-zwetschge, Felsenbirne, Eberesche. Blüte v. Heidekraut, Herbstanemonezweite Heuernte (Grummet)
FrühherbstEnde September/ Anfang OktoberBlüte der Herbstzeitlose, Reife v. Schwarzem Holunder u. Haselnuss.Birnen- und Zwetschgenernte
VollherbstOktoberReife v. Stiel-Eiche, Rosskastanie, Quitte, Walnuss. Laubfärbung v. Rosskastanie, Rotbuche, Eiche, Esche, Wildem Wein.Ernte von Spätkartoffeln, Rüben und Äpfel. Aussaat des Wintergetreides
SpätherbstEnde oft Mitte/ Ende NovemberLaubfall von Stiel-Eiche und Rosskastanie
Winterab Anf. Dezember Vegetationsruhe.
© DLR
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Mit der Haselblüte beginnt der Vorfrühling, die Blüte der Kornellkirsche beendet ihn.
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Die Dauer der Apfelblüte deckt sich fast mit dem Vollfrühling, nur noch die Himbeerblüte folgt.
Reife der Frühäpfel = Beginn des Spätsommers,
Reife der Spätsorten = Spätherbst geht zu Ende .
Sät und erntet man nun nach den Jahreszeiten, so bedeutet z.B. die Angabe „März“ auf dem Samentütchen, dass der Boden 5 bis 6°C warm ist, und das sind die Temperaturen im Vorfrühling! Je nach Witterung kann man dann schon im Februar oder erst Anfang April säen. Ein Gartentagebuch, das die Aussaattermine mit der jeweiligen Jahreszeit und dem Datum notiert, hilft sicherlich, sich einen Überblick über die (sich ändernden?) klimatischen Verhältnisse im eigenen Garten zu verschaffen.

Ein sicher immer wichtigeres Thema wird zukünftig die Bewässerung bzw. wassersparende Kulturmethoden sein. Nicht nur wenn kein Brunnen oder Wasseranschluss vorhanden ist, sollte man, wenn möglich, Wassersammler/Zisternen einsetzen. Eine sparsame Bewässerungsart bietet die Tröpfchenbewässerung. Verdunstungsmindernd wirkt das Mulchen der Beete, aber auch regelmäßiges Hacken nach Regenfällen bzw. dem Gießen. Da auch Winde austrocknen können, ist je nach örtlicher Gegebenheit evtl. eine Windschutzpflanzungen um den Gemüsegarten sinnvoll. Auch das Beschatten von Pflanzungen an extrem heißen Tagen kann den Wasserbedarf etwas senken und gleichzeitig Schäden durch Sonnenbrand verhindern.
Auch die Anbauplanung sollte man im Hinblick auf die Sommertemperaturen und Bewässerungsmöglichkeit überdenken und ggf. auf Arten oder Sorten ausweichen, die zur (erwarteten) Temperatur oder Wasserversorgung besser passen.
Beispiel Bohnen: Alle Bohnenarten brauchen relativ viel Wasser (ca. 25l Wasser/Woche/m²). Da die einen aber nur bis zum Frühsommer, andere jedoch bis zum Spätsommer stehen, können bei frühzeitiger Ernte evtl. die Niederschläge noch ausreichen bzw. weniger zusätzliches Gießen nötig sein, während später bei höheren Temperaturen wesentlich mehr bewässert werden muss. Für Feuer-(Phaseolus coccineus) und Stangenbohnen (Phaseolus vulgaris var. vulgaris) sind Keimtemperaturen von 18 -25°C ideal. Daher werden sie erst Mitte bis Ende Mai (Vollfrühling) gelegt. Die Ernte setzt nach ca. 10-12 Wochen (Mitte/Ende Juli) ein und endet normalerweise im September. Wenn es zur Blütezeit sehr heiß wird, führt dies zum vorzeitigen Abwurf der Blüten, so dass sich kein Fruchtansatz bildet. Auch Trockenheit führt zu Blütenfall. Buschbohnen (Phaseolus vulgaris var. Nanus) können etwas früher gesät werden, da sie bei Bodentemperaturen von 12 -15°C zügig keimen. Jedoch können sie bereits ab +2°C erfrieren und sollten daher erst Anfang/Mitte Mai, ggf. mit Vliesabdeckung gelegt werden. Da die ganze Kulturdauer nur 70-90 Tage beträgt, sind sie dann im Juli (Erntebeginn Frühsorten: Juni!), wenn mit der größten Hitze und Trockenheit zu rechnen ist, schon abgeerntet. Buschbohnen sind bei ausreichender Wasserversorgung gegen hohe Temperaturen auch etwas weniger empfindlich als Stangenbohnen. Obwohl Stangenbohnen unter günstigen Umständen einen wesentlich höheren Ertrag als Buschbohnen bringen, sind die Buschbohnen bei schlechteren Bedingungen, da dann ertragssicherer, unter Umständen die bessere Wahl! Die Dicke Bohne (Puffbohne, Saubohne, bot.: Vicia faba L.) ist nicht frostempfindlich. Ihre Aussaat kann bereits bei Bodentemperaturen von 2 bis 3 C ab Februar (Vorfrühling) erfolgen. Geerntet wird dann ab Juni. Wer also in den letzten Jahren „Pech“ mit Stangenbohnen hatte, sollte es hier einmal mit frühreifenden Sorten versuchen (in der Hoffnung, dass es dann noch nicht so heiß ist) oder mit Buschbohnen bzw. dicken Bohnen experimentieren.
Beispiel Blumenkohl: Damit von der Blattbildung eine Umstellung zum Ansatz einer „Blume“ (= Vernalisation) erfolgt, benötigt die Blumenkohlpflanze, etwa im 8-Blattstadium, eine kühle Periode. Der Kältebedarf ist sortenbedingt unterschiedlich (spezielle Sorten für den Sommeranbau!). Beim Anbau von Frühsorten im Frühjahr ist eine rechtzeitige Vernalisation gesichert, da dann die Temperaturen eigentlich immer niedrig genug sind. Auch hier kann es sich lohnen, es mit früheren Anbauterminen und/ oder anderen Sorten zu versuchen!
Beispiel Kirsche: Alle bei uns heimischen Obstgehölze brauchen einen Kältereiz. Erst wenn die für die Obstsorte nötige Kältesumme erreicht ist, erfolgt bei anschließend ansteigenden Temperaturen Austreiben und Blühen. Ist der Kältereiz ungenügend, ist die Blüte schwach, unregelmäßig und es gibt in Folge von Befruchtungsproblemen einen geringen Ertrag. Ein relativ geringes Kältebedürfnis haben Feige und Granatapfel (100-200 Kältestunden), etwas mehr braucht die Pflaume, gefolgt von Aprikose und Pfirsich über Apfel bis zur Süßkirsche. Letztere benötigt im Durchschnitt am meisten Kältestunden. Doch gerade hier gibt es große Sortenunterschiede. Die Sorte ’Schneiders späte Knorpelkirsche‘ verlangt 1400 bis 1600 Kältestunden während bei der Sorte ‚Burlat‘ schon 600 -750 reichen. Auch dies sollte künftig bei Neupflanzungen im Hinblick auf Ertragssicherheit berücksichtigt werden.
Beispiel Rhabarber: Er geht normalerweise im August/September in die Ruhephase. Der unterirdische Wurzelstock verharrt in diesem Zustand bis sein Kältebedürfnis erfüllt ist und treibt erst danach bei steigenden Temperaturen wieder aus. Das Kältebedürfnis ist sortenabhängig, wobei es bei frühaustreibenden Sorten geringer als bei spätaustreibenden ist. Ein zu milder Winter ist die Ursache, wenn Rhabarber nicht oder nur dürftig austreibt. Zumindest in warmen Regionen kann es daher in Zukunft sinnvoll werden, nur noch sehr frühe oder frühe Sorten mit geringem Kältebedürfnis anzubauen.
In Bezug auf Pflanzen, die eine gewisse Kältesumme als Austriebs- bzw. Blühanreiz brauchen, gilt grundsätzlich, dass deren Frühsorten ein wesentlich geringeres Kältebedürfnis haben als die Spätsorten. Dies gilt es insbesondere in den ohnehin schon milden (Weinbau-) Regionen zu nutzen. In wieweit in raueren Lagen diesbezüglich Auswirkungen festzustellen sind, bleibt abzuwarten.
Das Wetter muss man nehmen wie es kommt – stellen wir uns darauf ein und machen das Beste daraus!


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