Gelatine – aus der Trickkiste der zarten Cremes und schnittfesten Tortenfüllungen

Wer liebt sie nicht, die feinen Terrinen und Sülzen als Vorspeise oder die lecker-leichten Cremes oder Cremeschnittchen mit zarter Konsistenz zum Nachtisch?

Für die richtige Beschaffenheit einer Cremefüllung oder eines schnittfesten Erzeugnisses wird in der Lebensmittelbranche ständig experimentiert. Die Bindefähigkeit des Gelier- oder Verdickungsmittels und das Mundgefühl sind wesentliche Eigenschaften. Auch muss ein Geliermittel geruchs- und geschmacksneutral sein.

Gelatine findet dabei als exzellentes und probates Geliermittel vielerlei Verwendung. Sie ist in Süßwaren wie Gummibärchen, Wackelpuddings und Schokoküssen genauso zu finden wie in Fleisch-, Fisch- und Wurstwaren wie Sülzen und Aspik. Unvermutet findet man Gelatine aber auch in fettreduzierten Milchprodukten und Halbfettmargarinen, in Konfekt, Bonbons und sogar in Brausetabletten, um die Vitaminzusätze bis zur Auflösung in Wasser einzukapseln. Pharmagelatine wird für Medikamentenkapseln verwendet.

Haushaltsüblich gibt es Gelatine als gemahlenes Granulat oder als Blattware, jeweils in Weiß oder Rot. Ein Gelatineblatt entspricht in der Menge einem gestrichenen Teelöffel Gelatinegranulat. Beides bindet in gleicher Weise. Zehn Gramm Gelatine (sechs Blatt) binden einen halben Liter Flüssigkeit.


Gelatine – was ist das genau?

Speisegelatine ist ein aus tierischen Produkten gewonnenes Eiweiß, das mit Wasser durch Quellung eine gallertartige Masse bildet. Sie wird aus Kollagen hergestellt, das in Europa zu 70% aus Schweineschwarten gewonnen wird, aber auch aus Rinder- und Kalbsknochen, Rinderhäuten, Knorpeln, Sehnen oder anderen Geweben. Fischgelatine wird aus dem Kollagen in Fischhäuten gewonnen und entspricht damit den Anforderungen einer jüdischen (koscheren) oder islamischen Kost (halal). Da Fisch bei vielen Menschen Allergien auslösen kann, muss die Verwendung von Fischgelatine in Fertiggerichten kenntlich gemacht sein.
Gelatine gilt als Lebensmittel und nicht als Zusatzstoff. Deshalb wird sie nicht unter einer E-Nummer geführt.

Gelatine wird heute von allen maßgeblichen Bundesforschungsanstalten in Übereinstimmung mit dem EU-Lenkungsausschuss hinsichtlich des Risikos einer BSE-Übertragung als sicher eingestuft, sofern sie nach einem von der Gelatine Manufacturers of Europe (GME) definierten Verfahren hergestellt wird. Durch die Verfahren mit starken Laugen oder Säuren werden die BSE-Erreger, die so genannten Prionen, nach derzeitigem Wissenstand zerstört. Die europäische Gesetzgebung regelt dabei alle Stufen der Gelatineherstellung sowie die Herkunfts- und Sicherheitskontrollen der Ausgangsstoffe.


Gelatine aus ernährungsphysiologischer Sicht

Einziger nennenswerter Inhaltsstoff der Gelatine ist der hohe Eiweißgehalt:

Tabelle: 100 g Gelatine enthalten:
  • Energie
  • Eiweiß
  • Fett
  • Kohlenhydrate
  • Wasser
338 kcal (1412 kJ)
84,2 g
0,1 g
0 g
14,0 g

Quelle: Ibrahim Elmadfa, Waltraut Aign, Erich Muskat, Doris Fritzsche: Die große GU Nährwert-Kalorien-Tabelle 2004/2005, Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München 2003

Die so genannte biologische Wertigkeit des Gelatineeiweißes ist gering. Gelatine enthält die Aminosäuren Glycin und Prolin in hoher Konzentration, andere essentielle, das heißt lebensnotwendige Aminosäuren, sind kaum enthalten. Glycin und Prolin sind im Kollagen von Knochen und Bindegewebe enthalten. Gelatine wird deshalb vielfach als Nahrungsergänzung für den Knorperlaufbau angepriesen. Nach Auffassung des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bringt eine Zufuhr von Gelatine keinen nachweislichen Nutzen für Knorpel und Gelenke.

Zur Bindung einer Cremespeise für vier Personen (500 ml) werden üblicherweise zehn Gramm Gelatine verwendet. Dies entspricht insgesamt etwa 34 Kilokalorien pro Grundrezept oder 8,5 Kilokalorien pro Person. Mit Gelatine lassen sich - je nach Wahl der weiteren Zutaten - sehr gut kalorienarme Speisen wie Geleespeisen und Joghurtcremes mit geringem Fettgehalt herstellen.
Von Seiten der Lebensmittelindustrie wird Gelatine gerne als Stabilisator und Verdickungsmittel bei der Herstellung der verschiedenen Light-Produkte wie Halbfettmargarine, fettarmer Käse und Joghurt verwendet.


Arbeiten mit Gelatine

Gelatine verliert ab einer Temperatur von etwa 30 °C seine Festigkeit und eignet sich daher vor allem für kalte Speisen.
Für eine Gelatinespeise sieht das Grundrezept für vier Personen folgende Mengen vor:
  • ½ l Flüssigkeit (Fruchtsäfte, Milch, Joghurt, Gemüsebrühe u. a.)
  • 6 Blatt Gelatine oder 1 Päckchen Gelatinepulver
  • Geschmackszutaten

Will man Schnittfestigkeit einer Masse erreichen, wie z. B. bei Cremefüllungen oder Sahnemassen in Torten, erhöht man die Gelatinemenge um zwei bis drei Blatt bzw. zwei bis drei Teelöffel gemahlene Gelatine. Gleiches kann man tun, um den Steifungsvorgang zu beschleunigen.
Umgekehrt gilt: Werden Cremes am Vortag zubereitet, kann man aufgrund der längeren Steifezeit die Gelatinemenge um ein bis zwei Blatt reduzieren.
Zum Gelierergebnis wirken demnach drei Faktoren zusammen: Geliermittelmenge, Lagertemperatur und Zeit.

Bei der Verwendung von Gelatine werden zwei Verarbeitungsmethoden unterschieden:

Binden von kalter Flüssigkeit
  1. Gelatine etwa 5 Minuten kalt einweichen.
  2. Gelatine mit ein wenig Einweichflüssigkeit bei geringer Temperatur in einem kleinen Topf auflösen (nicht kochen).
  3. Zur aufgelösten Gelatine etwas von der kalten, zu steifenden Flüssigkeit geben (Temperaturausgleich herstellen).
  4. Dann die Gelatineflüssigkeit zügig in die zu steifende Flüssigkeitsmenge einrühren.
  5. Masse im Kühlschrank kalt stellen.

Binden von heißer Flüssigkeit
  1. Gelatine etwa 5 Minuten kalt einweichen
  2. Eingeweichte Gelatineblätter tropfnass bzw. Gelatinepulver mit der Einweichflüssigkeit direkt in der heißen, aber nicht kochenden Flüssigkeit auflösen, gut rühren.
  3. Masse kühl stellen.

In beiden Fällen wird die Gelatine zunächst in kaltem Wasser etwa fünf Minuten eingeweicht. Blattgelatine wird in reichlich kaltem Wasser vorgequollen. Zusammenklebende Blätter müssen dabei getrennt und Blatt für Blatt ins Wasser gelegt werden, sonst verkleben sie zu einem großen, schwerlöslichen Klumpen. Bei gemahlener Gelatine wird zum Auflösen pro Teelöffel Granulat ein Esslöffel kaltes Wasser zugegeben.

Durch hohe Temperaturen beim Auflösen der Gelatine sowie durch Säureeinwirkung kann die Gelierfähigkeit beeinträchtigt werden.
Manche Früchte wie Ananas, Kiwi und Papaya enthalten eiweißspaltende Enzyme, die die Gelatine-Bindung zunichte machen. Hilfreich ist dann ein kurzes Erhitzen dieser Früchte, denn durch Hitze werden die Enzyme deaktiviert.


Instantgelatine oder Sofortgelatine

Instantgelatine entsteht durch ein spezielles Trocknungsverfahren bei ihrer Herstellung. Dadurch erhält man eine besonders feinkörnige Granulatstruktur. Sie ermöglicht eine einfache Handhabung, weil das Vorquellen und separate heiße Auflösen entfallen.

Sofortgelatine lässt sich jedoch nicht immer glatt auflösen. Häufig lagern sich an der Oberfläche kleine Partikel oder Luftbläschen ab. In Fruchtmus und milchigen Cremes fällt dieses optische Manko weniger auf als in Gelees und klaren Flüssigkeiten, die man steifen will.


Verfeinerungen

Soll eine Creme mit Sahne verfeinert bzw. mit Eischnee gelockert werden, lässt man die Masse zunächst im Kühlschrank ansteifen. Sobald man mit einem Teigschaber oder Löffel leichte, bleibende „Straßen“ ziehen kann, werden steif geschlagener Eischnee und/oder Sahne locker untergehoben.

Bei einer roh gerührten Creme (kalte Flüssigkeit) dauert das Ansteifen im Kühlschrank nur einige Minuten. Bei einer gekochten Creme dauert die Abkühlzeit erheblich länger.

Ist die Speise noch zu flüssig, setzt sich die Schaummasse wieder ab. Ist die Creme schon zu fest, lässt sich die Schaummasse nicht mehr glatt untermischen. Zu fest gewordene Creme lässt sich im Wasserbad dann noch einmal verflüssigen.

Die fertig verfeinerte Creme wird sofort in Dessertschälchen oder Schüsseln gefüllt und kann entsprechend den Cremezutaten garniert werden.


Vegetarische Alternative

Als Alternative für die vegetarische Küche ist im Handel Agar-Agar erhältlich. Dies ist ein Rotalgen-Extrakt mit pektinhaltigen Zellwandbestandteilen, die sich nach dem Aufkochen und Abkühlen gallertartig versteifen. Agar-Agar wird in der Lebensmittelindustrie oft bei der Herstellung von Süßwaren und Marmeladen verwendet und wird dann mit der europäischen Zulassungsnummer E 406 gekennzeichnet.

Die Bindeeigenschaft von Agar-Agar ist geringer als die der Gelatine, daher kann man die Gelatinemengen in den Rezeptangaben nicht einfach auf die Agar-Agar-Mengen übertragen. Hier empfiehlt es sich, nach der Anwendungsbeschreibung der Verpackung vorzugehen.

In der Regel wird Agar-Agar mit einem Teil Flüssigkeit zwei Minuten lang aufgekocht und dann in die zu bindenden Masse eingerührt. Der leicht leimige Geruch ist nur beim Aufkochen wahrnehmbar. Im verarbeiteten Produkt ist Agar-Agar geschmacks- und geruchsneutral. Cremespeisen aller Art gelieren problemlos – auch mit Früchten wie Ananas und Kiwi. Bei klaren Flüssigkeiten wie z. B. bei Sülzen ist mit Agar-Agar allerdings eine Eintrübung festzustellen.


Quellen und weitere Information:


    www.fze.rlp.de/ernaehrungsberatung