Artenvielfalt im Obstgarten

Über die Bedeutung einer ökologischen Vielfalt in der freien Natur wir viel berichtet. An erster Stelle wird hier meist die Streuobstwiese genannt mit ihrer artenreichen Fauna und den vielen alten Obstaorten. Wesentlich seltener wird in diesem Zusammenhang von der ökologischen Bedeutung der Gärten gesprochen. Aber auch diese geben dem Landschaftsbild ihren charakteristisches Aussehen, sorgen für einen Klimaausgleich, schützen Boden und Wasser und stabilisieren den Naturhaushalt. Darüber hinaus haben sie einen sehr hohen Erholungswert und bieten dem Gartenfreund die wunderbare Möglichkeit einer sinnstiftenden Tätigkeit in der Natur! Zusammengenommen also eine Fülle unschlagbarer Vorteile, so dass es durchaus berechtigt ist, diese Artenvielfalt anhand der Obstarten und –sorten einmal genauer zu betrachten.

Obstsortenvielfalt

Gepflanzt ist so ein Obstbaum schnell, doch vorher hat jeder Gartenfreund die Qual der Wahl: Was soll ich pflanzen? Die lecker-süßen Beeren, Apfel oder Birne, knackige Kirschen, saftige Pflaumen? Oder doch lieber etwas „klassisches“ wie Wal- oder Haselnuss, oder Quitte? Wie wäre es dagegen mit den „wilden“ Wildobstarten wie Mispel, Kornelkirsche, Eberesche, Kirschpflaume oder Speierling? Oder doch lieber was „exotisches“ wie Kiwi, Kiwai, Kaki, Papau oder Banane? Alleine in Deutschland schätzt man die Zahl der heimischen Obstsorten auf rund 3000, die Hälfte davon sind Apfelsorten. Weltweit werden etwa 20.000 verschiedene Apfelsorten angebaut. International befassen sich Wissenschaftler mit der Pomologie, der Lehre von den Obstarten und Obstsorten. Sie umfasst deren Bestimmung, Beschreibung, Empfehlung und Erhaltung. Nicht umsonst gilt die römische Göttin „Pomona“ die Beschützerin des Obst- und Gartenbaus. Dabei weisen einige Sorten, die auch heute noch angebaut werden, ein beachtliches Alter auf:

Tabelle 1: Abstammung alter Apfelsorten

SorteAbstammungOrt und Jahr der Einführung
`Gravensteiner`UnbekanntItalien, vor 1669
`Goldparmäne`UnbekanntFrankreich, vor 1700
`Cox Orange``Ribston Pepping`x `Blenheim`England, 1850
`Boskoop``Renette von Montfort`Holland, 1856
`Golden Delicious``Grimes Golden` x `Golden Renette` ?West Virginia, USA, 1890
(nach Moore und Ballington 1992, zitiert in M. Fischer: Farbatlas der Obstsorten)

Die Sortenzüchtung hat aber in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Für die Pflanzung im Garten sind besonders die gegen Schorf und Mehltau resistenten Sorten von Bedeutung. Hier sind für den Garten an erster Stelle die Pillnitzer Re-Sorten zu nennen, z. B. Reglindis, Resi, Renora, Rebella, Regine, Regia etc.


Gegen Schorf und Mehltau anfällige Sorte.
Das muss nicht sein...
...denn mittlerweile werden für den Garten viele wohlschmeckende, robuste oder gegen Schorf und Mehltau resistente (RE-) Sorten angeboten!

Fotos: © DLR

Als Obst bezeichnet man die essbaren Früchte von ein- und mehrjährigen kultivierten oder wild wachsenden Gewächsen. Die Vielfalt der für den Garten geeigneten Obstarten wird vorwiegend nach äußeren Merkmalen unterschieden:

Kernobst: Apfel, Birne, Quitte, Speierling, Mispel
Steinobst: Kirsche, Pflaume, Aprikosen, Nektarine, Pfirsich,
Beerenobst: Johannisbeere, Stachelbeere, Heidelbeere, Erdbeere,
Brombeere
Schalenobst: Haselnuß, Mandel, Walnuss

Dazu kommt noch Gruppe der „Exoten“, die an geschützten Plätzen kultiviert werden können, wie beispielsweise Kiwi, Kiwai, Nashi, Feigen, Kaki-Pflaume, Banane u. a. sowie die Wildobstarten.

Heimische Wildfrüchte im Garten

Zu Wildobst bzw. Wildfrüchten zählt man Pflanzen, die bisher weitestgehend ohne züchterische Bearbeitung in ihrem Ursprungszustand vorhanden sind. Einige dieser Gehölze stammen aus der Region oder sind schon seit Menschengedenken bei uns heimisch. Deshalb haben sie auch noch ihre ursprüngliche Robustheit und Widerstandfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen, was sie natürlich für eine Nutzung im Garten sehr interessant macht. Diese positiven Eigenschaften haben die Wildobstarten auch für die Züchtung interessant gemacht, so dass es mittlerweile beispielsweise bei Sanddorn, Holunder und einigen anderen Arten schon ertragreiche Sorten gibt.

Welche Gehölze sind für den Garten geeignet?

Die Auswahl an Obstarten und –sorten für den Garten ist riesig und vielfältig. Neben altbewährten, teilweise jahrhundertealten Sorten stehen auch viele Neuzüchtungen zur Verfügung. Damit es später keine unliebsamen Überraschungen gibt, sollte man auf einige Punkte achten:
  • Resistente, robuste und gegen Krankheiten und Schädlinge widerstandsfähige Sorten sollten immer bevorzugt werden. Mittlerweile stehen diese Sorten für alle Obstarten zur Verfügung. Achten Sie schon beim Einkauf darauf, denn so können Sie den Pflanzenschutzaufwand deutlich reduzieren bzw. ohne auskommen.
  • Freunde alter Sorten sollten heimische Regionalsorten bevorzugen. Diese sind an die lokalen Gegebenheiten und klimatischen Verhältnisse angepasst und oft auch regional verfügbar.
  • Achten Sie auf die Wahl einer geeigneten Unterlage.
  • Zum Thema Exoten: Viele Pflanzen stammen aus einer anderen Klimazone und sind deshalb nur mit großem Aufwand (Winterschutz) zu kultivieren. Deshalb sollten solche Pflanzen nur an geschützten, warmen Plätzen im Garten gepflanzt werden. Bedenken Sie: Wer das besondere liebt, muss nicht unbedingt auf exotische Pflanzen aus der ganzen Welt zurückgreifen. Es gibt auch wunderbare und interessante heimische Wildobstarten mit vielen Vorteilen!

Wer das besondere liebt: heimische Wildobstarten

Das Interesse für die robusten Wildobstarten im Garten ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Hierdurch kann man 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie bieten neben ihrem Schmuck- und Zierwert wert durch Blätter, Blüten und Früchten gleichzeitig auch die Möglichkeit zur Nutzung der Früchte als Frisch- oder Verwertungsobst. Darüber hinaus kann man sie in der Form von Hecken, Schutzstreifen, Böschungsbegrünung, Vogelschutzgehölzen und Bienenweiden vielfältig in die Gartengestaltung einbeziehen. Die Liste der Wildgehölze ist lang und vielfältig. Doch vor dem Pflanzen muss der Standraum- bzw. Platzbedarf geklärt werden, damit es keine bösen Überraschungen gibt. Wildobstarten sind nicht auf schwachwachsende Unterlagen veredelt und wachsen strauch- oder baumartig, letztere können durchaus eine Höhe von 15-20 m erreichen! Neben dem Zier- und Nutzwert haben alle Wildobstarten einen hohen ökologischen wert, da sie der heimischen Tierwelt ein breites und abwechslungsreiches Nahrungsangebot bieten.

Beispiele für Wildobstarten (Auswahl)

Strauch,
1- 2 m Höhe
Großstrauch,
bis 6 m Höhe
Baum,
10-20 m Höhe
Geringer Standraumbedarf
(1-5 m2)
Mittlerer
Standraumbedarf
(5 - 20 m2)
Hoher
Standraumbedarf
(30-50 m2)
Scheinquitte (Chaenomeles japonica)
Apfelbeere
(Aronia melanocarpa)
Arktische Brombeere
Fruchtrose
(Rosa spec.)
Feige, Felsenbirne,
Holunder (Sambucus nigra), Mispel, Sanddorn
(Hippophae rhamnoides),
Schlehe, Weißdorn, Kirschpflaume (Myrobolane),
Wilde Heckenrose
Kornelkirsche
(Cornus mas)
Mehlbeere,
Eberesche
(Sorbus aucuparia),
Esskastanie, Elsbeere, Mandel, Maulbeere, Speierling

Die Mispel ist ein interessantes Wildgehölz für den GartenKornelkirschen sind vielfältig verwendbar

Fotos: © DLR

Vitamin C-Bombe, Farbstoff oder Saft – Vieles ist möglich!

Die Verwertungsmöglichkeiten bei den Wildobstraten sind vielfältig und umfangreich. Viele Früchte kann man direkt frisch genießen, wie beispielsweise Berberitze, Kirschpflaumen, Kornelkirschen, Mispeln (nur nach vorhergehendem Frost) sowie die schwarze Maulbeere. Ihr ganzes Potential entfalten sie jedoch nach einer Verarbeitung zu Saft, Marmelade oder Gelee, Trocknung oder Spirituosen. Sehr gut eignen sich viele Früchte auch als Beigaben zu Müsli oder Joghurt. Als echte „Vitamin C-Bomben“ kann man Sanddorn und die wilde Heckenrose bezeichnen: Die Früchte enthalten mitunter bis zu 900 mg Vitamin C/100g! Das ist gewaltig, bedenkt man dass Apfelsinen und Orangen, für viele der Inbegriff hoher Vitamin C-Gehalte, weit weniger als ein 1/10 diese Wertes erreichen! Eine Neuzüchtung aus Dresden, die `Pillnitzer Vitamin-Rose PiRo3` enthält sogar 1100 mg Vitamin /100 g! Ganz andere Vorzüge hat die Esskastanie: hier stehen weniger die Vitamine im Vordergrund als Kohlehydrate. Vor der Einführung der Kartoffel waren die Esskastanien, in der Pfalz auch „Käschde“ genannt, ein wichtiger Stärkelieferant. Wer also genügend Platz im Garten hat und auf der Suche ist nach wirkungsvollen und imposanten Bäumen, sollte sich Esskastanie, Maulbeere, Speierling und Co ruhig einmal näher ansehen


werner.ollig@dlr.rlp.de     www.Gartenakademie.rlp.de