Sauerkirschen auf neuen Wegen

Die Prüfung von Sorten und Mutanten bei Sauerkirschen ist seit Jahrzehnten ein Schwerpunkt im obstbaulichen Versuchswesen der SLVA Oppenheim. Zur Werterhaltung und Verbesserung des Sortenspektrums werden die Frucht- und Ertragseigenschaften erfasst, und auf ihre Krankheitstoleranz geprüft. Ergänzend kommen in den letzten Jahren Untersuchungen zur Bestimmung und Verbesserung der Fruchtqualität hinzu.

1 Anforderung an Sorteneigenschaften

Je nach Verwendungszweck werden an die Sorten entsprechende Anforderungen gestellt, die nur von einem bestimmten Sortenspektrum erfüllt werden können. Die aktuelle Ist-Situation konzentriert sich auf ein kleines Sortenspektrum (Tabelle 1). Eine Verbesserung des Sortimentes wird besonders im Hinblick auf höhere Krankheitstoleranz bei guter Produktivität erwartet.

Tabelle 1: Übersicht aktuelle Situation im Sauerkirschenanbau in Deutschland

Anbau für die Verarbeitung zu Glaskonserve
Anforderung an Sorteneigenschaften
    ¨ Fruchtgröße >20 mm
    ¨ Säure >10 [g/l], Zucker >15 [g/l]
    ¨ stabile, intensive Rotfarbe außen /innen
    ¨ leichte Entsteinung, aromatisch
    ¨ gut ablösbar vom Fruchtstiel
    ¨ produktiv, krankheitstolerant

    Sorten im Anbau
      ¨ Schattenmorelle (Sortengruppe)
      ¨ Heimanns-Gruppe (H. Rubinweichsel, Fanal, Beutelspacher Rexelle, etc.)
      ¨ Morellenfeuer (Kelleriis 16)
      ¨ neu: Gerema
      Anbau für die Verarbeitung zu Fruchtsaft
      Anforderung an Sorteneigenschaften
        ¨ Säure >18 [g/l], Zucker >16 [g/l]
        ¨ Fruchtsaft mit stabiler intensiver Rotfärbung
        ¨ typisches kräftiges Kirschenaroma
        ¨ gut ablösbar vom Fruchtstiel
        ¨ produktiv, krankheitstolerant

        Sorten im Anbau
          ¨ Überschuß aus Konservenkirschen (Schattenmorelle, Heimanns-Gruppe, Morellenfeuer)
          ¨ Schwäb. Weinweichsel
          ¨ Stevnsbaer

          2 Generative Eigenschaften

          „Schattenmorelle“ und „Heimanns Rubin/Beutelspacher Rexelle“ dienen nach wie vor als Maßstab zur Beurteilung der Ertragseigenschaften. Aus früheren Sortenprüfungen ging hervor, dass die Ertragsleistung sehr stark differieren kann, je nach Typ/Selektion/Herkunft innerhalb der Sortengruppe oder der Sensitivität gegenüber Stecklenbergervirose (PNRV). Aus den Abbildungen 1 bis 4 über den Ertragsverlauf von „Schattenmorelle“ `Vowi´ im Vergleich zu verschiedenen anderen Sorten und Mutanten wird folgendes deutlich:

          ¨ Schattenmorelle `Vowi´ zählt zusammen mit `Boscha´ und der rheinhessischen Bestträgerselektion `S 2´ zu den leistungsstarken „Schattenmorellen
          “-Typen (Abbildung 3).

          ¨ Die Mutanten aus der Sortengruppe „Heimanns Rubin/Beutelspacher Rexelle“ liegen auf höherem Ertragsniveau als „Schattenmorelle“ `Vowi´ (Abb. 4).

          ¨ Sortenneuheiten, mit Eignung für die maschinelle Ernte – wie „Gerema“, „Morina“, „Ungarische Traubige“- liegen knapp unter dem Ertragsniveau eines
          Bestträgers „Schattenmorelle“-Gruppe (Abbildung 1). Viele neue Sorten liegen in der Produktivität deutlich niedriger (Abbildung 2).

          Die Produktivität steht in engem Zusammenhang zu den Blühkonditionen (Befruchtersorten, Blühtermin, Witterungsverlauf um die Blüte und Nachblüte). Von den neuen Sorten zählen „Morina“ und „Ungarische Traubige“ zur Gruppe der Frühblüher – ähnlich wie die Sortengruppe „Heimanns Rubin/Beutelspacher Rexelle“.

          „Ungarische Traubige“ - eine thüringische Selektion aus der ungarischen Landsorte „Ujfehertoi fürtös“- blühte in allen Jahren später als die Ursprungssorte.

          Die Blühzeit von „Gerema“ liegt spät, in den meisten Jahren nach „Schattenmorelle“ (Abbildungen 5 und 6).

          3 Toleranzeigenschaften

          Nach künstlicher Infektion mit Stecklenbergervirose (PNRV) bei den Sorten „Morina“ und „Ungarische Traubige“ waren visuell keine Symptome zu beobachten. Der Blick auf die Ertragsbeeinflussung zeigt, dass wir noch nicht von PNRV-toleranten Sorten sprechen können (Abbildung 7). Dennoch ergeben sich bei der Beurteilung der Toleranzeigenschaften unterschiedliche Bewertungen der einzelnen Sorten, die für die jeweilige Krankheitsdisposition eines Obststandortes berücksichtigt werden können (Abbildung 8).

          4 Fruchteigenschaften

          Entsprechend dem Verwendungszweck der Sauerkirschen lohnt es sich die Frucht-eigenschaften der Sorten zu vergleichen und die Sortenauswahl Zweck entsprechend vorzunehmen (Abbildung 9 und 10).

          Fazit

          Entsprechend der Produktionsmethode wird sich im Sauerkirschenanbau auch das Sortiment zweigleisig entwickeln. Besonders die Erntetechnik stellt unterschiedliche Anforderungen an die Sorten:

          Sorten für die Handernte

          Sortenneuheiten konkurrieren mit Schattenmorelle. Fruchtqualität, Ertrag, Pflückbarkeit und Krankheitstoleranz werden an „Schattenmorelle“ gemessen. Eine Ausdehnung des Reifzeitraumes ist wünschenswert. Für diese Produktionsmethode hat sich bislang noch keine Alternative zur „Schattenmorelle“ gefunden. Allerdings lohnt es sich auf den Sortentyp zu achten. Mit `Vowi´, `Boscha´ und `S 2´ sind virusfreie Herkünfte verfügbar, die im Ertrag deutlich über einem Standard Typ liegen. Ihre Ertragsleistung liegt dreimal höher gegenüber den minderwertigeren Herkünften.

          Sorten für die maschinelle Ernte

          Bei der Suche nach Alternativen rücken 2 Sorten ins Rampenlicht:

          „Morina“ eine Kreuzung aus „Köröser“ x „Reinhardts Ostheimer Weichsel“ in Dresden-Pillnitz liegt in der Reifezeit kurz vor „Schattenmorelle“. Die Sorte kommt verzögert in Ertrag und erreicht eine Produktivität von 60-70% eines „Schattenmorellen“-Bestträgers wie z.B. `Vowi´. Die Eignung zur maschinellen Ernte sind ebenso wie die Fruchtqualität und die Widerstandsfähigkeit hervorragend. Ihre Hauptbedeutung wird daher in erster Linie in halbintensiven, bzw. ökologischen Produktionsverfahren zu finden sein.

          Für die „Ungarische Traubige“ trifft dies in ähnlicher Weise zu. Die thüringische Selektion aus der ungarischen Landsorte „Ujfehertoi fürtös“ liegt auf ähnlichem Ertragsniveau wie gut tragende „Schattenmorellen“-Typen und ist somit deutlich besser als das Original. Die Moniliatoleranz ist besser als bei „Gerema“ und „Schattenmorelle“ aber nicht ausreichend, um vollständig auf Pflanzenschutz-maßnahmen verzichten zu können. Die Bäume wachsen kräftig und bilden leicht aufrechte Leitäste. Fruchtqualität und die Eignung zur maschinellen Ernte sind hervorragend. Die Tatsache, dass die Sorte bei uns -anders als in Ungarn- nicht ausreichend selbstfruchtbar ist und die Befruchter nicht definitv geklärt sind, erlaubt zur Zeit höchstens einen versuchsweisen Anbau.



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