Integrierter Anbau im Gemüsebau

1. Einführung

Der Begriff „Integrierter Pflanzenbau“ wurde in den 70-er Jahren geprägt.
Dessen Ziel ist es, Ökologie und Ökonomie im Pflanzenbau in ein Gleichgewicht zu bringen. Dies bedingt, dass bei der Kultur von Pflanzen alle sinnvollen und möglichen Maßnahmen geprüft und ergriffen werden. Das Prinzip basiert auf dem kombinierten Einsatz von Sortenwahl, Anbautechnik, Pflanzenernährung, Pflanzenschutz, Biotechnische Maßnahmen, Standortwahl und Fruchtfolgegestaltung.
Bei der Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen sind Pflanzenschutzmaßnahmen nur eine von mehreren Möglichkeiten der Schadensbegrenzung. Diese sollen dann erst nach dem Überschreiten der sog. „Schadensschwelle“ eingesetzt werden und nicht, wie früher manchmal üblich, nach festen Anwendungszeiten oder nach dem „Spritzkalender“.
Im Erwerbsanbau ist der Integrierte Anbau in allen Sparten der Landwirtschaft mittlerweile zum Standard geworden. Für den Hausgartenbereich eröffnen sich hierdurch viele Möglichkeiten für eine umweltschonende Gartenbewirtschaftung, bei denen die Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz ein hohes Gewicht haben.

Abb. 1: Definition Integrierter Pflanzenbau





2. Standort, Bodenpflege und Bodengesundheit

Die langfristige Erhaltung der Bodengesundheit ist eine zentrale Aufgabe eines jeden Freizeitgärtners. Erfahrungsgemäß ist die Güte von Gartenböden sehr gut: sie sind in der Regel tiefgründig und haben aufgrund langjährigen Eintrages von organischem Material hohe Humusgehalte (3-5 %). Seltener sind schlechte Standorte anzutreffen, entweder aufgrund des Standortes
(z. B. Sandboden) oder als Folge von Neu- oder Umbaumaßnahmen. Gerade hier kommt es beim Einsatz von schweren Maschinen und Geräten (z. B. Baukran, LKW) nicht selten zu massiven Bodenverdichtungen mit negativen Einwirkungen auf die Pflanzen.

Für ein ungestörtes Wurzelwachstum sollten folgende Bodentiefen angenommen werden, wobei zu bemerken ist, dass ein guter Gartenboden 90 cm tief durchwurzelt werden kann:

Wurzeltiefen von Gemüsearten

Radies, Feldsalat: 15 - 20 cm
Kopfsalat: 30 cm
Blumenkohl, Zwiebel: 60 cm
Rosenkohl: 90 cm

Die wirkungsvollste Möglichkeit zur Verbesserung des Bodens ist die Einsaat geeigneter Gründüngungspflanzen wie Phacelia, Winterroggen, Sonnenblumen, oder Malven. So ist die Kulturmalve (Malva sylvestris) die einzige Pflanzenart, die Bodenverdichtungen aktiv aufbricht und zu einer biologischen Belebung dieser Schichten beiträgt.

Steckbrief Kulturmalve

Eigenschaften/Nutzen:
Tiefreichende, dicke Pfahlwurzel 50-60 cm Tiefe, die sogar Pflugsohlen durchwächst und damit als einzige Gründüngungspflanze in der Lage ist, aktiv Bodenverdichtungen aufzubrechen.
- Intensive Bodenbeschattung durch große Blätter
- Fruchtfolge neutral (Familie der Malvengewächse = Malvaceae)
- Keine Förderung von Rübennematoden

Ansprüche:
Wärmeliebend Lockere Böden bevorzugt (aber nicht zwingend notwendig, siehe oben) Beregnung nach der Aussaat bei trockener Witterung notwendig

Aussaat:
Saatstärke: 10 bis 12 kg/ha, Aussaattiefe: 3 bis 5 cm
Aussaatzeit: Frühjahr (mehr Aufwuchs, bessere Durchwurzelung)
bis Spätsommer (geringerer Aufwuchs)


3. Sortenwahl, Fruchtfolge und Fruchtwechsel

Eine angepasste Fruchtfolge mit robusten und widerstandsfähigen Sorten ist der Schlüssel zum Erfolg im Gemüsebau. Missachtet man die grundlegenden Anforderungen von Fruchtfolge und Fruchtwechsel, so sind die Folgen oft nur mit einem erhöhten Aufwand an Pflanzenschutzmittel zu kaschieren. Das gleiche gilt für den Einsatz anfälliger Sorten: sie gehören nicht in den Garten!
Typische Fruchtfolgeschäden werden verursacht durch z. B. Pilzkrankheiten wie, Fusarium, Verticillium, Schwarzfäule (Rhizoctonia), Falscher Mehltau, Kohlhernie, Sklerotinia. Deren Überdauerungsorgane können jahrelang im Boden überleben, was bei einer zu engen Fruchtfolge zu echten Problemen führt. Aber auch Schädlinge wie z. B. Nematoden, Kohl- und Möhrenfliege, Porreeminierfliege oder Zwiebelfliege überdauern im Boden und vermehrensich bei enger Fruchtfolge massiv. Ein erfolgreicher und umweltschonender Anbau von Gemüse im Garten basiert deshalb immer auf dem idealen Fruchtwechselkonzept:

Wechsel der Pflanzenfamilie – Korbblütler, Kreuzblütler, Doldenblütler,
Liliengewächse u.a.
Wechsel der Nährstoffbedürftigkeit –Stark-, Mittelstark-, Schwachzehrer
Wechsel der Wurzeltiefe –Tief-, Mitteltief-, Flachwurzler
Wechsel der Ernteorgangruppe – Blatt-, Wurzel-, Fruchtgemüse

Abb. 2: Fruchtfolgeabstände einzelner Gemüsearten.

GemüseAnbau auf derselben Fläche
ZwiebelnMax. alle 5 Jahre
Blumenkohl, BrokkoliMax. 2 x in 3 Jahren
Möhren, Sellerie, PetersilieMax. alle 4 – 7 Jahre

4. Nährstoffversorgung und Düngung

In diesem Bereich hat so mancher Gartenfreund in den letzten Jahren zuviel des Guten getan. Viele Böden weisen eine deutliche Überversorgung insbesondere mit Phosphor (P) und Kalium (K) auf. Dies ist die Folge einer jahrzehntelangen Düngung mit K + P betonten Volldüngern und/oder eines regelmäßig überhöhten Komposteinsatzes.

Abb. 3: Nährstoffüberschuß-Versorgung von Gartenböden in RLP
(69 Proben) (Quelle: LUFA/BOLAP Speyer 2004)

Aufgrund dieser bekannten Ausgangssituation lohnt sich bei der Düngung im
Garten eine differenzierte Vorgehensweise. Da Phosphor nur in geringen Mengen von den Pflanzen gebraucht wird und sehr stabil im Boden gebunden wird, reichern sich die Gehalte im Boden an. Da dieser Nährstoff auch nicht ausgewaschen wird, kann es im Laufe der Jahre zu überhöhten Werten kommen. Das gleiche gilt für Kalium, wobei die Werte auf einem deutlich niederigeren Niveau liegen, da Kalium besonders auf leichteren Böden auch ausgewaschen wird. Magnesium wird weniger fest im Boden gebunden und unterliegt auf leichten – mittleren Böden der Auswaschung.
Überhöhte Bodenwerte sind deshalb seltener anzutreffen, daher resultiert auch die Empfehlung, Magnesium regelmäßig zu düngen.
Von der Bayerischen Gartenakademie Veitshöchheim wurde eine Düngungs-
empfehlung für den Gemüseanbau im Garten erarbeitet, die vom Arbeitskreis
der Deutschen Gartenakademien mit getragen wird. Hierbei wird der oft hohen Versorgung mit Phosphat und Kalium Rechnung getragen. Am Beispiel eines mittleren Gartenbodens mit weniger als 2% Humus werden für die verschiedenen Gemüsearten in Abhängigkeit ihres N-Bedarfes Düngungsempfehlungen gegeben.

Tab. 1: Düngeempfehlung der deutschen Gartenakademien

Stickstoffdüngung mit mineralischen Düngern auf Böden mit hohem
Phosphat- und Kaligehalt

(Humusgehalten unter 2%, klimatisch gemäßigt, d.h. kein Weinbauklima)

KulturenStickstoffbedarfGesamt-Düngermenge bei Verwendung von Kalkammonsalpeter (KAS) oder Ammonsulfatsalpeter (ASS)
Feldsalat *
Radies *
Kopfsalat
Erbsen
Bohnen
Zwiebel
geringbis maximal 25 g/m² KAS oder ASS:
gesamte Düngermenge
1 Woche nach Pflanzung von Salat
2 Wochen nach Saat von Erbsen
und Bohnen
3 Wochen nach Stecken von Zwiebeln
Eissalat
Möhren
Endivien
Rettich
Kohlrabi
Spinat
Rote Rüben
Gurke
mittelbis maximal 50 g/m² KAS oder ASS:
Aufteilung auf leichten Böden auf zwei Teilgaben:
50% der Düngermenge zur Saat bzw. Pflanzung
und 50% der Düngermenge 3 Wochen später
Tomate
Chinakohl*
Sellerie
Porree
Blumenkohl*
Brokkoli*
Kopfkohl
Rosenkohl
hochbis maximal 75 g/m² KAS oder ASS:
Aufteilung bei den langstehenden Kulturen:
1/3 der Düngermenge zur Pflanzung und
1/3 der Düngermenge 3 Wochen später und
1/3 der Düngermenge mindestens weitere 2 Wochen später (aber auch bei Herbstkohl nicht später als Ende August)

* Bei Feldsalat und Radies im Spätsommer kann die Düngung meistens ganz entfallen. Beim Anbau der mit * gekennzeichneten Kohlarten kann die angegebene Düngermenge auch auf zwei Gaben aufgeteilt werden.
Quelle: Bayerische Gartenakademie Veitshöchheim

Hierbei ist aber zu beachten, dass die genannten Düngermengen nicht in jedem Fall gegeben werden müssen. Denn die Mehrzahl der Gartenböden in Deutschland weisen Humusgehalte von 2 – 5 % und mehr auf. Solche Böden haben ein beträchtliches Potential an organisch gebundenem Stickstoff. Dieser beträgt beispielsweise bei einem Humusgehalt von 3 % 7830 kg/ha! Da die Mineralisationsrate durch intensives Gießen und Hacken im Garten recht hoch liegt, kann man in diesem Beispiel von jährlichen frei werdenden Düngermenge von
196 kg/ha ausgehen, bei einem Humusgehalt von 5% sind es gar
325 kg Stickstoff/ha/Jahr! Diese Mengen werden also automatisch und kostenlos zur Verfügung gestellt, ohne dass 1 g gedüngt wurde!

Abb. 4.: Humusgehalte und darin enthaltener organisch gebundener
Stickstoff sowie freiwerdende N-Mengen bei unterschiedlicher Mineralisierungsrate


Quelle: O. Walg, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück

In vielen Gärten wird eine ausgiebige Kompostwirtschaft betrieben. Alles organische und kompostierbare Material aus Garten und Haushalt wird hier mit Hilfe der Mikroorganismen in einen hochwertigen Dünger und ein hervorragendes Bodenverbessungsmittel umgewandelt. Doch nicht selten fällt mehr an, als man eigentlich benötigt. Ein Kompost mittlerer Güte hat eine vergleichbare Zusammensetzung wie ein handelsüblicher Volldünger, allerdings bei höheren Magnesium- und Kalkgehalten. So bringt man mit einer einmaligen Kompostgabe von 3 l/qm eine annähernd gleichwertige Nährstoffmenge aus wie bei einer Volldüngergabe (Nitrophoska Spezial) mit 100 g (s. Tab. 2)

Tab. 2: Durchschnittliche Zufuhr an Gesamt-Nährstoffen mit einer
Kompostgabe von 3l/m² im Vergleich zur Nährstoffzufuhr mit einer
Düngergabe von 100 g/m²


Quelle: FH Weihenstephan

Auch beim Kompost gilt: Der Satz „viel hilft viel“ ist genauso wie bei Mineraldüngern völlig fehl am Platze, denn langjährige und zu hohe Kompostgaben führen auch zu überhöhten Bodengehalten. Und diese schädigen nur das Grundwasser und die eigene Geldbörse. Als Empfehlung ist jedem umweltbewussten Gartenfreund zu raten, regelmäßig alle 4-5 Jahre eine Analyse seines Bodens in einem speziellen Gartenlabor machen zu lassen. Nur so bekommt man ein Gefühl für die Nährstoffdynamik seines Gartens. Bei hohen P + K- Gehalten können sie dann entsprechend reagieren.
Wichtig: Lassen Sie neben den Nährstoffen P, K, Mg auf jeden Fall auch den
pH-Wert und vor allem den Humusgehalt mit erfassen!

5. Pflanzenschutz

Im Garten kann man die Pflanzen auf vielfältige Art vor Krankheiten und Schädlingen schützen. Sehr hoch im Kurs stehen umweltschonende biologische und biotechnische Maßnahmen (z. B. Einsatz von Netzen, Fallen etc.) sowie der Einsatz von Nützlingen. Aufgrund des neuen Pflanzenschutzgesetzes stehen darüber hinaus speziell für den Anwendungsbereich Haus- und Kleingarten zugelassene Präparate zur Verfügung.
Diese müssen in einer Kleinpackung angeboten werden und sind mit anwenderfreundlichen Dosiereinrichtungen versehen. Eine monatlich aktualisierte Liste aller für den Garten zugelassenen Pflanzenschutzmittel finden Sie unter: www.gartenakademie.rlp.de. Für manche Einsatzbereiche stehen im Garten zulassungsbedingt keine wirksamen Präparate zur Verfügung. Gerade im Bereich der Schädlinge an Gemüse gibt es aber mit den Kulturschutznetzen eine absolut gleichwertige und vor allem umweltschonende Alternative. Darüber hinaus können die Pflanzen vor Läusen und Weisser Fliege durch eine Abdeckung mit Vlies sehr gut geschützt werden.

Tab. 3: Einsatzbereiche von Kulturschutznetzen
KulturSchädlinge
Radies, RettichRettich- oder Kohlfliege
Möhren, Pastinaken,Möhrenfliege, Möhrenminierfliege
PetersilieMöhrenfliege
KohlartenKohlfliege, verschiedene Raupen,
befallsmindernd gegen Mehlige Kohlblattlaus
Zwiebel, SchnittlauchZwiebelfliege
PorreeLauchmotte
BohnenBohnenfliege
SpinatRübenfliege
alle GemüseartenTauben und andere Vögel,
Kaninchen, Hasen, Rehe

Auch im Bereich des Nützlingseinsatzes hat sich in den letzten Jahren viel getan. Eine Reihe von professionellen Anbietern hat sich auf dieses Segment spezialisiert und bietet eine komplette Palette von Lösungen gegen die wichtigsten Schädlinge an.

Tab. 4. Einsatzmöglichkeiten von Nützlingen im Garten
(Gewächshaus und Freiland)

SchädlingNützling
Blattlaus7-Punkt-Marienkäfer
(Coccinella septempunctata)
BlattlausSchwebfliege (Episyrphus balteatus)
BlattlausGallmücke (Aphidoletes aphidimyza)
Blattlaus, Thrips, WolllausFlorfliege (Chrysoperla carnea)
ThripsRaubmilbe (Amblyseius spp.)
WolllausAustralischer Marienkäfer
(Cryptolaemus montrouzieri)
SpinnmilbeRaubmilbe (Phytoseiulus persimilis)
Weiße FliegeSchlupfwespe (Encarsia formosa)
TrauermückeNematode (Steinernema feltiae)
DickmaulrüsslerNematode (Heterorhabditis spp.)
GartenlaubkäferNematode (Heterorhabditis spp.)
Maulwurfsgrille (Werre)Nematode (Steinernema carpocapse)

Ein Verzeichnis von Nützlingsanbietern finden Sie unter
www.gartenakademie.rlp.de, Suchwort „Nützlingsanbieter“. Zusammenfassend kann man sagen, dass für den Garten eine Vielzahl von Möglichkeiten existieren, die dem Grundgedanken des Integrierten Gemüseanbaues entsprechen. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl praktikabler Methoden im Bereich der biotechnischen Bekämpfung entwickelt. Das gleiche gilt für den Einsatz von Nützlingen, die man heutzutage flächendeckend im Fachhandel oder per Post erhalten kann. Sie bilden den Grundstock eines umweltfreundlichen Gemüsebaues im Garten. Darüber hinaus stehen für bestimmte Bereiche speziell für diesen Anwendungsbereich zugelassene und auf ihre Wirksamkeit und Umweltakzeptanz geprüfte Pflanzenschutzmittel zur Verfügung.

In Zusammenarbeit mit J. Kreiselmaier, J. Schlaghecken, J. Ziegler, DLR – Rheinpfalz - , Neustadt


werner.ollig@dlr.rlp.de     www.Gartenakademie.rlp.de