2002 / 03 - Verkehrssicherungspflicht bei Straßenbäumen - Teil 2: Baumgesundheit und Baumstatik -

Einleitung
Vielfach wird über extreme Witterungssituationen mit Sturm- und Gewitterböen berichtet, die bei Alleebäumen zu Stamm- und Astbruch sowie Windwurf mit all den damit zusammenhängenden Folgeschäden führen. Es geht daher darum, ein objektives Bild von der statischen Situation des Baumes zu bekommen, um Schäden zu vermeiden. Auf der anderen Seite sollte auch möglichst ausgeschlossen werden, dass aus übertriebener Vorsicht vermeintlich kranke, aber in Wirklichkeit völlig gesunde Bäume unnötigerweise gefällt werden.

Messverfahren zur Überprüfung der Baumstatik
Bäume haben die Eigenschaft, Gewebedefekte wie Fäulnis und innere Risse zu überwachsen. Erfahrene Baumpfleger erkennen diese Reaktionen an Verformungen der Rinde oder etwa an einer Wulstbildung des Stammes. Es hat aber nicht
gefehlt, diese visuellen Wachstumsergebnisse durch objektive Messverfahren zu untermauern.

a) Der Impulshammer misst die Zeit, die ein Schallimpuls benötigt, um quer durch den Stamm zu laufen. Dadurch können innere Defekte wie Fäule, Risse und Höhlungen festgestellt werden.

b) Mit dem Resistographen wird eine Bohrnadel in den Holzkörper getrieben. Je nach der Stärke des auftretenden Widerstands können Defekte und deren Symptome festgestellt werden.

c) Für die Untersuchung mit dem Fractometer wird ein dem Baum entnommener Bohrkern auf Biegung belastet. Die Druckfestigkeit beim Bruch ermöglicht eine Aussage über den Gesundheitszustand des untersuchten Gewebes.

d) Bei der Endoskopie wird ein flexibles Glasfaserkabel in einen in den Stamm eingebrachten Bohrkanal eingeführt. Über das mit dem Glasfaserkabel verbundene Sichtgerät ist eine Beurteilung des Gesundheitszustandes des Holzes möglich.

Probleme beim Einsatz von Messinstrumenten
Die durch die dargelegten Messverfahren gewonnenen Werte gelten nur für die punktuell durchgeführte Untersuchung. Sie sind nicht repräsentativ für den gesamten Baum. Um ein für die Statik des gesamten Baumes gültiges Bild zu erlangen, müssten an vielen Stellen Bohrungen nicht nur in einer Ebene, sondern auch in vielen unterschiedlichen Höhenpositionen durchgeführt werden. Dies wäre einmal sehr aufwendig. Ebenso würde hierfür eine Vielzahl von Bohrungen erforderlich sein, die als Eintrittspforten für neue Infektionen ein zusätzliches Risiko darstellen.

Bedeutung der Sichtkontrolle
Entscheidend für die Baumstatik ist ein intaktes "Splintholz". Das ist das junge direkt unter der Rinde befindliche, zum Transport von Wasser und Nährstoffen befähigte Holzgewebe. Treten hier Schäden auf, die die Bruchsicherheit des Baumes gefährden, so äußert sich das in der Veränderung der Rindenstruktur oder charakteristischen Stützgeweben, mit denen der Baum seine Verletzungen zu "reparieren" sucht. Aus den genannten Gründen ist eine Sichtkontrolle eine geeignete Maßnahme, um die Stand- und Bruchsicherheit von Alleebäumen zu überwachen.

Gesichtspunkte für eine Sichtkontrolle von Alleebäumen
I. Schäden im Wurzelbereich, Wurzelanläufe
Ein gesunder Baum ist durch kräftige Wurzelanläufe gekennzeichnet, die die Verbindung vom Stamm zum Wurzelkörper herstellen und daher eine ausreichende Standfestigkeit verleihen. Diese Wurzelanläufe sind sehr durch Verletzungen gefährdet. Rasenmäher, Bodenbearbeitungsgeräte oder Fahrzeuge können diese Wurzelan-läufe verletzen. Da an der Bodenoberfläche Feuchtigkeit und Belüftung in einem für holzzerstörende Pilse optimalen Verhältnis vorliegen, können diese leicht ihr zerstörendes Werk beginnen. Wenn der Baum nicht in der Lage ist, neues gesundes Gewebe auszubilden und zusätzlich die Wurzelanläufe nur einseitig ausgebildet sind, ist Gefahr im Verzug. Fäule in den Wurzelanläufen lässt sich auch akustisch nach Abklopfen mit einem Gummihammer feststellen.

II. Schäden im Stammbereich
a) Defekte im Stamm
Diese Schäden versucht der Baum durch Anlagerung von Stützgewebe zu kaschieren. Dies sind entweder Risse oder Faulstellen, die in der Form von Wulsten oder Beulen überdeckt werden. Häufig sind diese Prozesse von Sekretbildung begleitet, wobei dann Flüssigkeit aus dem Stamm austritt.

b) Rindensymptome
Aus der Verformung der Rinde durch Zerreißung oder Zusammenschieben kann geschlossen werden, ob hohe Gewebedehnungen in Zug- oder Druckrichtung vorliegen.
Bei den beiden letztgenannten Schadwirkungen ist eine fortlaufende Beobachtung erforderlich, um herauszufinden, ob ein Eingriff erforderlich ist.

III. Schäden im Kronenbereich
Wie bereits ausgeführt, gibt die Sichtkontrolle eines Baumes die entscheidenden Hinweise über dessen Gesundheit und Standfestigkeit. Im Kronenbereich äußert sich eine mangelnde Vitalität durch ungenügenden oder gar völlig fehlenden Zuwachs. Diese Entwicklung ist in der Regel mit einem überreichen Blüten- und Fruchtansatz verbunden. Bei einem alten Baum sind diese Erscheinungen noch als normal anzusehen. Dagegen weisen sie bei einem jüngeren Baum darauf hin, dass das Abgangsstadium erreicht wurde. Auch die Blattfarbe ist ein untrüglicher Hinweis auf die Baumgesundheit. Dunkelgrüne Blattfarbe zeigt, wenn es sich nicht gerade um eine buntblättrige Zierform handelt, gesundes Wachstum an. Eine hellgrüne bis gelbliche oder rötliche Blattfarbe oft auch mit abgestorbenen Blatträndern weist auf eine Störung des Gesundheitszustandes der Bäume hin, die oft auch für eine vorzeitige Herbstfärbung gehalten wird.
Die genannten Beispiele für eine eingeschränkte Vitalität von Alleebäumen lassen sich ergänzen durch Hinweise auf eine schlechte Wundverheilung bei Schnitt- oder Bruchverletzungen.

Schlussbetrachtung
Die vorstehenden Ausführungen geben Hinweise auf die ganzheitliche Sichtkontrolle von Alleebäumen, auf deren Gesundheit und Standfestigkeit. Punktuelle Nachuntersuchungen mit Messinstrumenten können Sichtkontrollen ergänzen, aber nicht ersetzen. Außerdem birgt das Anbohren von Bäumen für Messvorgänge Risiken in Bezug auf das Eindringen von Fäulniserregern.
Vielfach sind Sichtkontrollen auf eine ungenügende Baumstatik nicht mit hinreichender Sicherheit abzuschließen.
In einem solchen Fall kann ein dem natürlichen Habitus des Baumes entsprechender Rückschnitt durch einen tiefer gelegten Schwerpunkt und eine geringere Angriffsfläche für Stürme die Statik und die Standfestigkeit eines Baumes verbessern.

GrBl2002_03.pdf

    www.DLR-Rheinpfalz.rlp.de