Edelkastanie

„Die Kastanie ist des südlichen Klimas bester Zeuge“. So begeistert von der Region seiner Sommerresidenz, der Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben, zeigte sich schon damals König Ludwig I. von Bayern. Die Pfalz gilt als das größte zusammenhängende Gebiet von Kastanienwäldern in Deutschland, und damals wie heute sind die Hänge des Pfälzer Waldes „mit von süßen
Früchten bedeckten Kastanienbäumen“ bewachsen.

In den Weinbauregionen spielten Kastanien einst eine wichtige Rolle als kohlehydratreiche Nahrung. Lange Zeit waren sie als „Arme-Leute-Essen“ oder „Brot des Waldes“ verschrien. Heutzutage erleben sie eine Renaissance, besonders in der Zeit der Weinlese oder auf Weihnachts- märkten, wo sie geröstet einen betörenden Duft verströmen. Neuer Wein und Kastanien sind eine unschlagbar leckere Kombination, darüber hinaus hat auch die gehobene Gastronomie die Frucht entdeckt und bietet eine Fülle kulinarischer Kostbarkeiten wie z. B. Kastanienbrot, Kastaniensaumagen, Kastaniengemüse zu Wildgerichten, Kastanienhonig und vieles mehr an.
Aufgrund Ihres typischen Aussehens mit oder ohne Fruchthülle haben Esskastanien nach M. Günther in der Pfalz regional unterschiedliche Namen, z. B. Keschde, Kescht, Käschde, Eßkeschde, zahme Keschde, Edelkeschde. Das gleiche gilt auch für die Fruchthülle: in der Vorderpfalz heißen sie „Iggele“, in Deidesheim, Wachenheim „Ach(e)le“, in Hettenleidelheim „Stachelpeter“, im Dürkheimer Raum „Ballekeschde“.


Schon Johann Wolfgang von Goethe schätzte die Frucht sehr und ließ sich zu einem Gedicht inspirieren:

An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh nur hin!
Lass Dir die Früchte zeigen
Umschalet stachelig grün.

Sie hängen längst geballet,
still, unbekannt mit sich,
ein Ast der schaukelnd wallend
wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von Innen
Und schwillt der braune Kern,
er möchte Luft gewinnen
und säh die Sonne gern.

Die Schale platzt, und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in Deinen Schoß.



Die Edelkastanie (Castanea sativa) gehört zur Familie der Buchengewächse, die essbaren Früchte sind botanisch gesehen Nüsse, weshalb sie auch zum Schalenobst eingeordnet werden. Übrigens, die Edel- oder Esskastanie ist nicht verwandet mit der Roßkastanie (Aesculus hippocastanum), deren Früchte früher zur Behandlung bestimmter Pferdekrankheiten eingesetzt wurden – daher der Name „Roß- oder Pferdekastanie“.
Die Bäume könne eine stattliche Höhe von bis zu 25 m erreichen, eine botanische Besonderheit ist der typische Drehwuchs der Stämme. Der diploide Baum ist einhäusig getrenntgeschlechtlich, d. h. männliche und weibliche Blüten sitzen auf einem Baum an den Sprossenden diesjähriger Triebe. Die weißlichen männlichen Blüten sind deutlich erkennbar als 10-15 cm lange Kätzchen, etwas darunter sitzen die weiblichen Blüten, gut wahrnehmbar an der schon früh ausgebildeten stacheligen Fruchthülle.
Ähnlich wie die Rebe blühen Kastanien spät (Juni/Juli), so dass sie so vor Frost geschützt sind. Die Bestäubung erfolgt durch den Wind, besonders aber durch die Honigbiene, so dass Wanderimker ihre Völker gerne gezielt in Kastanienbestände stellen, um den geschätzten Kastanienhonig zu erzeugen. Um einen ausreichenden Fruchtertrag zu gewährleisten, sollten verschiedene Sorten gepflanzt werden, denn als weitere botanische Besonderheit herrscht häufig eine sog. „Protandrie“ (Vormännlichkeit) vor: d. h. zwischen dem aufblühen der männlichen und weiblichen Blüten können bis zu 2 Wochen vergehen!


Von der Blüte bis zur reifen Frucht kann man eine Zeit von
100 – 120 Tagen veranschlagen.

Die Kastanie bevorzugt sauere – schwachsauere Böden (pH-Werte 4,5 - 6,0), auf kalkhaltigen, alkalischen Böden können Chlorosen an den Blättern auftreten. Um dies zu erhindern, sollten Böden mit einem höheren pH-Wert regelmäßig mit einer Torf- oder Rindenauflage versehen werden, um den pH-Wert geringfügig abzusenken. Des weiteren verträgt sie keine Staunässe sowie Bodenverdichtungen. Die Frostempfindlichkeit ist mit der des Apfels vergleichbar, aufgrund der späten Blüte im Juni sind diesbezüglich aber keine Schäden zu erwarten.


Verwendung
Wie die Walnuß der typische Baum des Rheingrabens darstellt, ist die Esskastanie der charakteristische Laubbaum des Haardrandes. Die Bestände grenzen unmittelbar an die alten, steilen Weinbergslagen. Schon immer wurde das Holz aufgrund seines hohen Gerbstoffgehaltes geschätzt, und zwar als Unterstützungsmaterial im traditionellen Weinbau vor der Einführung von Metalldrähten (Kammertbau), als Weinbergspfähle (Stickel) oder für Fässer, Bau- und Möbelholz und als Gerbeextrakt. Sehr beliebt ist das Holz immer noch für den Lawinenverbau, weil es unter den hochalpinen Bedingungen am längsten durchhält. Im Obstbauversuchsbetrieb des DLR Rheinpfalz wurden vor mehr als 10 Jahren wieder versuchsweise Kastanienpfähle für das Unterstützungsgerüst und auch als Hagelnetzstangen mit bestem Erfolg eingesetzt. Viele Obstbauern haben diese Idee aufgegriffen, günstige Pfähle mit hervorragender Haltbarkeit direkt beim Förster in der Region einzukaufen


Sorten
Die jährliche Produktion weltweit beträgt rund 1 Mio Tonnen, wobei alleine China ca. 850.000 to erzeugt. In Europa werden in Italien und Frankreich größere Mengen von Maronen produziert, die häufig nach Deutschland exportiert werden. Dementsprechend groß ist auch das Angebot an Sorten.
Wer Esskastanien im eigenen – größeren - Garten pflanzen oder wie früher einen Kastanienhain anlegen will, hat 2 Möglichkeiten:


Wilde, großfrüchtige Kastanien sammeln und im Frühjahr stecken (vorher 1 Woche in Wasser einlegen).

Man kauft Jungbäume verschiedener Sorten, die im Fachhandel als Containerware angeboten werden.



Kleine Sortenübersicht

Bei den in der Pfalz wachsenden wilden Kastanien am Haardtrand handelt es sich um ein heterogenes Sortengemisch. An erster Stelle sind Sorten zu nennen, die gegen den gefürchteten Kastanienrindenkrebs resistent sind. Dieser hat in den USA die Bestände einer anderen Kastanienart, nämlich Castanea dentata fast völlig vernichtet. Obwohl unsere heimische Castanea sativa eigentlich als wenig anfällig gilt, wurde diese Krankheit erstmals auch in der Pfalz gefunden.


International hat man versucht, die resistente japanische Castanea crenata einzukreuzen. Das Ergebnis sind resistente Hybridsorten wie z. B. die französichen `Marigoule`und `Marsol`.


Schöne große, hellbraune Früchte bringen auch die Standardsorten `Tisenser` aus Südtirol und `Ecker` aus Österreich. Daneben gibt es Sorten aus Tschechien, Rumänien und Ungarn.


Esskastanienbäume sind landschaftsprägende und typische Bäume des Haardtrandes mit imposantem Blüten- und Fruchtschmuck. Bei guten Standortbedingungen können die Bäume sehr alt werden, bestes Beispiel ist der „dicke Keschdebaam“ in Dannefels mit einem Stammumfang von sage und schreibe 8,60 cm und einem geschätzten Alter von 600 Jahren! Wer Kastanien pflanzen will, sollte auf ausreichenden Standraum, entsprechende Böden und eine funktionierende Bestäubung achten.


Casta nea: die keusche Frucht

Die „keusche Frucht“ wird von dem Edenkobener Historiker Franz Schmidt eindrucksvoll beschrieben:


Nach einer alten römischen Sage sei Göttervater Jupiter kein Kind von Traurigkeit gewesen und den göttlichen, halbgöttlichen oder auch nicht göttlichen Frauen sehr zugetan. Er verliebte sich in eine Waldnymphe namens Nea. Doch sie lies ihn schnöde abblitzen. Jupiter jedoch bedrängte sie um so heftiger, bis sich Nea, besorgt um ihre Unschuld, das Leben nahm. Daraufhin verwandelte Jupiter sie in einen Baum. Dieser Baum hatte den Namen Casta - Nea (die keusche Nea / lat. casta=keusch) und daraus wurde das heutige Wort Kastanie.


Quelle: Die keusche Frucht, Verlag Hörner/Mauer, Offenbach,
ISBN:-Nr.: 3-937329-20-1

Literatur:
Michael Günther: Esskastanie (Castanea sativa):

www.gartenakademie.rlp.de
Franz Schmidt: Die keusche Frucht, Verlag Hörner/Mauer,

Offenbach, ISBN:-Nr.: 3-937329-20-1


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