Sommerschnitt bei Obstgehölzen

Über den Sommerschnitt an Obstgehölzen ist viel berichtet worden in den letzten Jahren. Es gab Zeiten, da wurden diese Themen recht kontrovers diskutiert. Dabei hatte man mitunter den Eindruck, dass einzelne Methoden wie Pinzieren, Juniriss oder Augustschnitt ganz neu entdeckt wurden. Dabei handelt es sich hierbei um altbekanntes und lang erprobtes obstbauliches Wissen. So berichtet schon Philipp Held in dem Fachbuch „Der praktische Obstzüchter“ 1894 über die Vorzüge der verschiedenen Sommerschnittarten wie Pinzieren, Reißen, Schneiden oder Ausbrechen. Diese Maßnahmen gehörten besonders beim Formobstanbau zum Standard-Repertoire, um den Bäumen die gewünschte Wuchsrichtung zu geben und sie frühzeitig in den Ertrag (generative Phase) zu bringen. Heutzutage sprechen hauptsächlich biologische, aber auch zunehmend arbeitswirtschaftliche Vorteile für einen verstärkten Sommerschnitteinsatz. In „Lucas` Anleitung zum Obstbau“ (32. Auflage, 2002) findet man folgende Definition, welche die Vorzüge kompakt zusammenfasst: „Sommerschnitt gilt als Maßnahme, die starkem Wachstum im Spitzenbereich vorbeugt, die Bäume kleiner hält, sie besser mit Fruchtholz bekleidet, die Fruchtfarbe fördert und die Widerstandsfähigkeit der Früchte gegen Stippigkeit, Fleischbräune, Schalenbräune und Fäulnis stärkt“. Darüber hinaus hat man mit Sommerschnittmaßnahmen die Möglichkeit, Fehler des letztjährigen Winterschnittes bzw. des Baumaufbaues elegant zu korrigieren bzw. akuten Fehlentwicklungen entgegen zu wirken“. Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen wie Pinzieren, Junischnitt oder –riss, Augustschnitt und Belichtungsschnitt vorgestellt.


Das Pinzieren

Das Pinzieren ist sicherlich die älteste Sommerbehandlung beim Anbau von Formobst. Neuerdings hat diese Methode aber wieder eine zunehmende Bedeutung bekommen im Hinblick auf kompakte Baumformen für kleine Gärten. Denn gerade auf kleinstem Raum bieten sich Mauern, Häuserwände oder Zäune dafür an, ebenso Wege, die beidseitig mit Spalierobst bepflanzt werden. Doch wie geht das mit dem Pinzieren eigentlich? Im „Praktischen Obstzüchter“ von 1894 findet sich hierzu eine Anleitung: „Haben die Triebe eine Länge von 15-20 cm erreicht, so werden sie pinziert (abgekneipt, entspitzt), in dem man mittels Daumen und Zeigefinger die Triebspitze bis auf 10-12 cm einkürzt.“ Diese Maßnahme kann durchaus mehrmals durchgeführt werden, besonders dann, wenn man unter pinzieren nur das Entfernen der noch wachsenden Triebspitze versteht. Senkrechte Wasserschosser können so mehrmals pinziert werden und dann ggfs. im Winter komplett entfernt werden. Ebenso sind Sortenansprüche zu beachten: Lang wachsende Sorten (z. B. Boskoop etc.) dürfen nicht zu kurz pinziert bzw. im Winter zu stark geschnitten werden. Grundsätzlich kann man sagen, dass diese Sommerbehandlungen zur Beruhigung des Triebwachstums beitragen, kompakte, kleine Baumformen ermöglichen und gleichzeitig die Fruchtbarkeit erhöhen. Dies wussten auch schon die Obstliebhaber vor über 100 Jahren, der praktische Obstzüchter von 1894 beschreibt dies bestechend einfach und verständlich: „Durch das Pinzieren schwächt man also den Trieb und zwingt den Saft, sich auch den untern Augen des Triebes mitzuteilen, so dass sich dieselben in Blütenknospen verwandeln“!
Ein mehrmaliges Pinzieren der Triebspitze kann die Triebleistung deutlich reduzieren
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Der Junischnitt

Auch der Junischnitt gehört zu den altbekannten Sommermaßnahmen. Ende der 80 -er, Anfang der 90 -er Jahre wurde als „Juniknip“ im Erwerbsanbau „wieder neu entdeckt“ und Gegenstand intensiver fachlicher Diskussionen.
Ziel des Junischnittes ist es, ungünstig stehende, einjährige Triebe zu entfernen, die für den Ertrag oder Baumaufbau nicht benötigt werden und deshalb sowieso mit dem Winterschnitt entfernt werden müssten. Hierzu gehören auch die Wasserschosser oder oben auf einem waagerecht stehenden Ast sitzende Reiter. Deshalb wird dieser Schnitt in der älteren Fachliteratur auch als „Grünschnitt“ bezeichnet, denn die Triebe sind zu dem Zeitpunkt noch nicht verholzt. An der Schnittstelle kommt es dann in der Regel in demselben Jahr zu einem schwachen Neuaustrieb, was letztenendes zu einer Triebberuhigung führt. Oft reifen diese Triebe aber nicht mehr aus und sind frostanfällig, die Garnierung mit Blütenknospen ist mitunter ebenfalls unbefriedigend. Heute wird der Junischnitt oder Juniknip hauptsächlich für die Formierung der Stammverlängerung bei starken Jungbäumen angewendet: diese werden statt im Winter bei Bedarf erst im kommenden Juni angeschnitten, was meist eine Schwächung und eine bessere Garnierung mit Blütenknospen bewirkt.
Eine weitere Möglichkeit ist der Juniriss: hierbei werden die noch krautigen einjährigen Triebe mitsamt den schlafenden Augen rausgerissen, ein Neuaustrieb in demselben Jahr wird somit in den meisten Fällen unterbunden. Besonders überbaute Kronenbereiche von starkwachsenden Apfelsorten und Birnen können so hervorragend reguliert werden. Da dieser Riss nicht unbedingt auf den Juni beschränkt ist, wird er auch als Sommerriss bezeichnet. Eine weitere Entwicklung des Junirisses ist das herausreißen ganzer mehrjähriger Äste. Damit werden 2 Ziele erreicht: zum einen werden ungünstig stehende, zu starke Äste komplett herausgerissen. Dadurch wird die Belichtung der übrigen Baumpartien verbessert. Zum anderen werden gleichzeitig überzählige Früchte entfernt, eine konsequente Ausdünnungsmaßnahme also.
Problemzone Wasserschosser ...
... und die Lösung: Juniriß. Hierbei werden die schlafenden Augen an der Basis mit herausgerissen, der Austrieb im nächsten Jahr wird deutlich schwächer
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Der Augustschnitt

Bei starkwachsenden Bäumen kann man den Winterschnitt für eine bestimmte Zeit ganz oder teilweise ersetzen. Die Bäume gehen dadurch vom Stadium „viele starke Jungtriebe, aber wenig Fruchtholz“ rasch in den Zustand „schwacher Neuaustrieb, hoher Besatz mit Fruchtholz“ über (Lucas` Anleitungen zum Obstbau). Oberstes Ziel ist der „ruhige Baum“ mit einem ausgewogenen Verhältnis von Triebwachstum und Ertrag. Augustschnitt lässt sich im Garten auch sehr gut zur Höhenbegrenzung einsetzen, dabei wird auch gezielt in das mehrjährige Holz geschnitten. Das bedeutet aber auch, dass u. U. auch kurz vor der Ernte stehende Früchte mit entfernt werden, was erfahrungsgemäß nicht jedermanns Sache ist..
Der Belichtungsschnitt kurz vor der Ernte

Wie der Name schon sagt, dient er einer bessern Belichtung der Früchte ca. 14 Tage vor der Ernte. Hierbei werden i. d. R. nur jährige Triebe weggeschnitten, die für den weiteren Baumaufbau nicht mehr benötigt werden. Gerade bei zweifarbigen Sorten führt dieser Schnitt zu einer deutlich besseren Ausbildung der roten Deckfarbe. Vorsicht ist jedoch geboten bei intensiver Sonneneinstrahlung, denn dann steigt die Gefahr von Sonnebrandschäden deutlich.

Zusammenfassung und Bewertung

Sommerbehandlungen im belaubten Zustand können grundsätzlich bei allen starkwachsenden Baum- und Strauchosbstarten angewendet werden. Diese Maßnahmen hemmen das Triebwachstum des Folgejahres durch Wegnahme von Assimilationsfläche (grüne Blätter). Gleichzeitig fördern sie die Fruchtbarkeit und den Blütenansatz. Darüber hinaus kann der Aufwand für den Winterschnitt deutlich reduziert werden. Gerade Überbauungen im Kopfbereich können sehr gut mit Sommerbehandlungen (Sommerriss, Augustschnitt) reguliert werden.
Bedenken Sie bei allen Maßnahmen deren physiologischen Auswirkungen:
Auswirkung verschiedener Schnitttermine auf Wachstum und Fruchtbarkeit der Obstgehölze
Winterschnitt
Sommerschnitt
  • Standartmaßnahme bei Obstgehölzen
  • in der vegetationslosen Zeit (November – März)
  • fördert das Triebwachstum (Vegetatives Wachstum) und die Fruchtgröße im folgenden Jahr
  • wird in der Vegetationsperiode im belaubten Zustand durchgeführt
  • hemmt das vegetative Wachstum und reduziert die Fruchtgröße im Folgejahr
  • eine gute Maßnahme zur Beruhigung starkwachsender Bäume
  • fördert die Fruchtbarkeit (generatives Wachstum)
  • sehr gute + schnelle Wundheilung
Dennoch sind Schnittmaßnahmen im Sommer kein Allheilmittel zur Lösung aller Probleme. Deshalb sollte man es beim ersten Mal nicht übertreiben. Nicht angesagt, ja sogar kontraproduktiv ist ein Sommerschnitt unter folgenden Voraussetzungen:
  • bei schwach wachsenden Gehölzen!
  • bei hoher Sonneneinstrahlung + Hitze: Sonnenbrandgefahr!
  • bei Feuerbrand! (Wenn überhaupt, dann nur reißen, um eine Übertragung durch die Schere zu verhindern).
Darauf sollten Sie achten:

Für den Garten sind alle vorgestellten Möglichkeiten je nach Zielsetzung einsetzbar. Sommerschnitt bzw. -riss bietet sich an bei starkwachsenden Unterlagen-Sortenkombinationen. Überbauungen im Kopfbereich können sehr gut mit Sommerbehandlungen über mehrere Jahre reguliert werden Das Reißen von kompletten Ästen ist eine triebberuhigende Möglichkeit besonders im Kopfbereich weil dann kein Neuaustrieb mehr in demselben Jahr erfolgt. Falls Sie noch nicht im Sommer geschnitten haben, machen Sie ihre eigenen Versuche und Beobachtung.

Spezielle Anforderungen einzelner Obstarten an den Sommerschnitt:

Pfirsiche
Oberhalb des Leit- bzw. Fruchtastes immer die stärksten Triebe entfernen, auf der Unterseite möglichst die schwächeren Triebe entfernen. Das ergibt einen harmonischen Baumaufbau (Wachstumsgesetze) und gleichmäßige Qualitäten.
Apfel
Liegt der durchschnittliche Triebzuwachs deutlich über 30-50 cm (Sortenunterschiede), so kann zur Beruhigung des Wachstums für 1-2 Jahre überwiegend im Sommer geschnitten werden.
Himbeeren
Für einen erfolgreichen Himbeeranbau belässt man etwa 10 Ruten pro laufenden Meter. Überzählige Bodentriebe können bereits im Frühjahr entfernt werden. Die verbleibenden Triebe werden danach besser ernährt. Außerdem trocknen sie schneller ab, was wiederum der Ausbreitung des Rutensterbens vorbeugt.
Brombeeren
Die Seitentriebe der diesjährigen Ranken werden ab Ende Juli auf 2 bis 3 Augen eingekürzt. Dadurch wird die Entwicklung der verbleibenden Ranken gefördert. Zugleich können auch überzählige Ranken entfernt werden, die sich ansonsten im Wachstum behindern würden.
Johannis-, Stachelbeeren
Nach der Ernte ist der optimale Zeitpunkt zur Entfernung abgetragener Triebe, die älter als 4-5 Jahre sind. Durch diese frühe Maßnahme können sich die jüngeren Triebe und deren Knospen besser entfalten (Erhöhter Lichtgenuss, bessere Versorgung). Vor der Ernte können überschüssige Triebe entfernt werden, das erleichtert die Erntearbeiten, senkt den Mehltaudruck (bei Stachelbeeren) und reduziert den Winterschnittaufwand.
Süßkirschen
Direkt nach der Ernte ist ein günstiger Termin zum schneiden und korrigieren von starkwachsenden Süßkirschenbäumen. So kann die Baumhöhe gut um 1,5 m reduziert werden. Diese Maßnahme, über 2-3 Jahre angewendet, führt zu einer deutlichen Triebberuhigung im Kopfbereich. Zur besseren Wundheilung kann man auf Zapfen schneiden.
Kiwi
Neben dem frühen Winterschnitt kann man Seitentriebe auch im August auf 5-7 Blätter zurückschneiden. Das erhöht die Fruchtbarkeit.
Walnuss
Gehölzen mit starkem Saftdruck wie Walnuss sollten nur im belaubten Zustand geschnitten werden (August/September).
Walnüsse können im belaubten Zustand ab Juli/August geschnitten werden. Neben einer Größenkorrektur können auch größere Eingriffe bis an den Stamm ohne Bluten durchgeführt werden.
Bei Kiwi sollten die zukünftigen Fruchttriebe auf ca. 0,5 m zurückgeschnitten werden. Das erhöht die Fruchtbarkeit.
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Literatur:

Lucas`Anleitung zum Obstbau, Ulmer-Verlag, 32. Auflage, 2002
Der praktische Obstzüchter, Ulmer-Verlag, 1894

=> Weitere Informationen zum Sommerschnitt an Obstgehölzen


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