Mobile Hühnerhaltung – das Optimum für Legehennen?

Stand: 07/09/2020
Das Thema Tierwohl wird zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert und spielt bei der Kaufentscheidung des Verbrauchers eine immer größere Rolle. Das Interesse an Hintergründen und Zusammenhängen ist groß, auch beim Einkauf von Eiern.
Die Aufschrift auf der Verpackung bzw. die erste Zahl des aufgestempelten Zifferncodes auf dem einzelnen Ei geben Auskunft über die jeweilige Haltungsform der Legehennen. Die „Kleingruppenhaltung“ (3) ist eine Art der Käfighaltung, die in Deutschland bis zum Jahr 2025 erlaubt ist, in anderen europäischen Mitgliedsstaaten sogar darüber hinaus noch weiterhin möglich bleibt. Bei der „Kleingruppenhaltung“ und in der „Bodenhaltung“(2) leben die Hühner ausschließlich in Ställen, die oft in mehreren Etagen (sog. Volieren) mit Sitzstangen, Futterrinnen und Legenestern ausgestattet sind. Dagegen gewähren die „Freilandhaltung“(1) und die „ökologische Erzeugung“(0) Hühnern Zugang ins Freie zum beliebigen Picken, Scharren und Sandbaden auf einer Weide. Die ökologische Haltung kommt der Vorstellung vom „glücklichen“ Huhn am nächsten mit der geringsten vorgeschriebenen Besatzdichte von maximal sechs Hühnern pro Quadratmeter Stallfläche und zusätzlichen mindestens vier Quadratmetern Außenauslauffläche pro Huhn. Außerdem gelten in der ökologischen Haltung noch weitere Richtlinien zu Aspekten wie Fütterung, Medikamenteneinsatz oder Flächenbindung.

Der Zugang ins Freiland birgt aber das Problem, dass sich die permanente Haltung einer Hühnerschar auf einer gleichbleibenden Auslauffläche unerwünscht negativ auf den Pflanzenbewuchs sowie auf den Eintrag von Nährstoffen, insbesondere Nitrat, in den Böden auswirken kann. Die Böden können sich bei andauernder Nutzung kaum regenerieren. Zudem stellen die verstärkt frequentierten Flächen Übertragungsorte für Krankheitserreger und Parasiten dar.

Die Idee, mit der Hühnerschar regelmäßig den Standort zu wechseln und ein frisches Stück Weide oder vielleicht auch mal ein abgeerntetes Stoppelfeld zu besiedeln, ist nicht neu und wurde schon früher praktiziert. Heute gibt es innovative, technisch hoch ausgeklügelte Stallmodelle auf Rädern oder Kufen in unterschiedlichen Größenordnungen, die mit Traktoren von Standort zu Standort gezogen werden. Dabei werden sie oft nur um einige Meter versetzt, wo eine neue Weidefläche mit einem geeigneten Geflügelzaun abgesteckt wird.

Teilmobile oder vollmobile Ställe gibt es für den Hobbybedarf schon in kleinen Abmaßen für unter zehn Hühner. In der Landwirtschaft können solche Ställe für bis zu 2500 Hühnern ausgelegt sein mit zwei bis drei Stockwerken in ihrem Inneren. Die Investitionskosten für diese Ställe gehen je nach Größe und Technisierungsgrad bis in den sechsstelligen Bereich.
Volltechnisierte, computergestützte Systeme minimieren jedoch den täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitsaufwand erheblich.
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Wie funktionell sind diese Ställe in der Praxis? Sind sie für den Hühner-Komfort das Optimum?
Annette Conrad vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Westpfalz hat hierzu David Pfeifer vom Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau (KÖL) Rheinland-Pfalz sowie den Hühnerhalter Achim Ruf auf dem Bannsteinhof bei Zweibrücken-Mörsbach zu ihren jeweiligen Erfahrungen befragt.

Achim Ruf betreibt gemeinsam mit seinem Sohn Marco in einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) einen Bioland-Betrieb. Gemäß dem Kreislaufwirtschaftsprinzip im Ökolandbau wird auf dem Bannsteinhof der Pflanzenbau (Getreide und Klee) mit der Tierhaltung auf Weideflächen und dem Betreiben einer Biogas-Anlage verknüpft.


Hier das Interview:

Annette Conrad (A.C.): Herr Ruf, wann und wie sind Sie in die mobilen Hühnerhaltung eingestiegen?
Achim Ruf (A.R.): Das erste Huhn bekam unser Sohn am Ende seiner Landwirtschaftslehre von seinem Lehrbetrieb geschenkt. Damit hatte er vor etwa zehn Jahren seine ersten fünf Küken aufgezogen. Sein Interesse an Hühnern hat uns bewogen nach und nach in die Geflügelhaltung einzusteigen. Ein erster Schritt war die Haltung von 50 Hühnern in einem Bauwagen. Da wir die Eier und Suppenhühner gut über unseren Hofladen absetzen konnten, haben wir in drei kleinere mobile Weiland-Ställe in der Größenordnung von jeweils etwa 220 Tieren investiert. Darin hielten wir Legehennen und Masthähnchen. Wir haben also klein angefangen, erst Erfahrungen gesammelt und schließlich nach und nach die Mutterkuhhaltung durch eine ausgeweitete Hühnerhaltung ersetzt. Seit wenigen Wochen haben wir nun den großen mobilen Stall mit 1200 Hühnern.

A.C.: Welche Auflagen mussten für das Aufstellen des Hühnerstalls erfüllt werden?
A.R.: Zum einen müssen wir als Bioland-Betrieb die EU-Richtlinien mit den Mindeststandards für die ökologische Legehennenhaltung sowie die Bioland-Richtlinien erfüllen. Das bedeutet, dass uns bei den 200 Quadratmetern Grundfläche in unserem mobilen Stall ein maximaler Besatz von 1200 Hühner gestattet ist. Zum anderen war eine Baugenehmigung erforderlich. Die Bedingungen sind in jedem Bundesland anders. In Rheinland-Pfalz wird eine Baugenehmigung für einen mobilen Stall ab 100 Quadratmetern zur Pflicht.

A.C.: Wie ist der Mobilstall innen aufgebaut und womit ist er technisch ausgestattet?
A.R.: Der Mobilstall ist sehr gut an die Bedürfnisse der Hühner angepasst. Der taghelle, gut belüftete Stall ist auf seiner Grundfläche zu Beschäftigungszwecken mit Strohhäcksel ausgestreut. Eine kleine, hängende Plattform dient als Geflügelwaage. Zufällig darauf landende Hühner werden automatisch gewogen. Somit wird das durchschnittliche Tiergewicht ständig kontrolliert.
Längs durch die Mitte befinden sich auf mehreren Etagen verteilte Sitzstangen und Bodengitter. Dort werden die Hühner auch über Metallrinnen und Leitungen ad libitum mit Futter und Wasser versorgt und können sich in abgedunkelte, eingestreute Legenester zurückziehen. Die Eier aus den Legenestern werden mit einem Eiersammelband einmal täglich in einen Vorraum transportiert. Unterhalb der Futterrinne verläuft ein Transportband, das den Kot täglich in einen Auffangtrichter nach draußen befördert. Der Kot wird einmal wöchentlich mittels einer Schneckenwalze verladen und abtransportiert.
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An beiden Längsseiten des mobilen Stalles befinden sich Wintergärten oder so genannte Kaltscharrräume, die mit eigenem festem Boden wie Außenbalkone am Mobilstall angebracht sind. Anstelle einer Außenwand besteht durch ein engmaschiges Gewebe Kontakt zur Außenluft. Die Wintergärten bieten dem Geflügel auch im Falle einer Stallpflicht, (z.B. bei Vogelgrippe), einen Minimalauslauf. Durch diese Vorräume gelangen die Hühner ins Freie, wenn sich die Außenvorhänge gegen 10.00 Uhr automatisch öffnen. Die Uhrzeit haben wir deshalb gewählt, damit die Hühner möglichst vorher noch ihre Eier in die Nester im Mobilstall legen.
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Am Kopfende des Mobilstalles befindet sich ein größerer Vorraum für die Computersteuerung und für die Eier-Entnahme vom Band. Von hier aus werden Beleuchtung, Belüftung, Temperatur sowie die Öffnung und Schließung der Außenrollos vollautomatisch gesteuert. Hier können täglich Messwerte wie beispielsweise Legeleistung, Tiergewicht, Futter- und Wasserentnahme abgerufen werden. Dies ist für die Kontrolle der Tiergesundheit wichtig. Auch andere hilfreiche Details wie z.B. die Futterstandsanzeige im integrierten Futtersilo sind abrufbar.
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A.C.: Wie lange dauert die Legeperiode Ihrer Hühner und wie werden die Eier und die älteren Legehennen vermarktet?
A.R.: Bei uns werden die Junghennen der Rasse „Lohmann Brown“ im Alter von fünf Monaten eingestallt. Die Legeperiode dauert etwa 12 bis 15 Monate. Die älteren Legehühner stallen wir später in die kleineren mobilen Ställe um und lassen sie zum Ende der Legeperiode auf einem EU-zugelassenen Geflügelschlachtbetrieb in St. Wendel, im nahen gelegenen Saarland schlachten.
Der Verkauf unserer Eier erfolgt in Selbstbedienung am eigenen Hof und an einer Verkaufsstelle im Nachbarort. Zudem beliefern wir einen Naturkostladen in Zweibrücken und Kollegen mit Hofläden. Anfragen nach Suppenhühnern notieren wir und informieren unsere Kundschaft, wenn geschlachtet wird. Einen großen Teil der geschlachteten Hühner geben wir aber an andere Betriebe weiter.

A.C.: Hühner im Freiland sind unter Umständen Gefahren ausgesetzt. Welche Vorsorge betreiben Sie?
A.R.: Zum einen dient der Elektrozaun nicht nur dazu, unsere Hühner innerhalb der Umzäunung zu halten, sondern bietet auch Schutz vor vorbeilaufenden Hunden. Eine bedeutende Gefahr tagsüber sind Greifvögel. Bisher haben wir zum Glück nur geringe Verluste gehabt. Als Schutzmaßnahme bieten wir den Hühnern ausreichend Unterschlupfmöglichkeiten; zum Beispiel haben wir ältere landwirtschaftliche Anhänger auf der Wiese verteilt platziert. Auch der Mobilstall selbst bietet im Unterbodenraum viel Unterschlupf.

A.C.: Wie beurteilen Sie insgesamt die Hühnerhaltung in mobilen Ställen? Ist die Tiergesundheit Ihrer Ansicht nach besser?
A.R.: Das Versetzen des Mobilstalls alle paar Wochen dient der Tierhygiene. Die Hühner kommen stets auf frische Grasflächen, dadurch ist der Parasiten- und Krankheitsdruck deutlich geringer als auf den verdreckten Flächen an einem Dauerstandort. Auch für die Bodenqualität ist das gut. Die Böden können sich erholen und hohe Nitratauswaschungen ins Grundwasser können vermieden werden.
Sobald die Hühner den Stall verlassen, graben sie sich ganz gerne in eine Kuhle ein, um darin im Staub zu baden. Das pflegt ihr Federkleid und befreit sie von Milben.
Tageslicht und der Auslauf an frischer Luft sind natürlich förderlich für die Tiergesundheit. Zudem sind Hühner auf der Wiese gut beschäftigt. Damit neigen sie weniger dazu, sich gegenseitig blutig zu picken. Alle Aspekte zusammen sind für mich gute Argumente für diese Haltungsform.


A.C.: Vielen Dank, Herr Ruf, für die Einblicke in Ihren Betrieb.


Ein weiteres Interview hat Annette Conrad mit David Pfeifer geführt, der das EIP-Agri-Projekt, ein Projekt der „Europäischen Innovationspartnerschaft Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ in Rheinland-Pfalz begleitet hat.
In diesem Projekt sollen nach eigenen Angaben innovative, nachhaltige und praxistaugliche Lösungen für land- und forstwirtschaftliche Frage- und Problemstellungen gefunden werden. Eine von mehreren Herausforderungen, die dabei im Fokus stehen, ist eine am Tierwohl ausgerichtete landwirtschaftliche Produktion.
Das Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau (KÖL) Rheinland-Pfalz hat im Zeitraum von 2017 bis 2020 das Projekt „Hühner werden mobil – Ausweitung der Verwendung von Legehennen-Mobilställen im ökologischen Landbau in Rheinland-Pfalz“ auf den Weg gebracht. Dabei wurde erstmalig ein Indikationssystem zur Beurteilung der Tiergerechtigkeit verwendet.

Die Fragen an David Pfeifer (KÖL) (D.P.)

A.C.: Herr Pfeifer: Worin wird das Tierwohl bei Geflügel sichtbar? Sind Hühner bei der Freilandhaltung an ständig wechselnden Standorten gesünder?
D.P.: Ein Hauptkriterium des Tierwohls ist die Tiergesundheit. Und da sehen wir in der mobilen Stallhaltung weniger Pickverletzungen, weniger Fußballengeschwüre und weniger fehlende Federn als bei anderen Haltungsformen. Auf jeden Fall sind die Hühner bei wechselnden Standorten des Mobilstalls auch agiler. Das Geflügel hält sich mehr im Außenbereich auf, weil die Auslauffläche interessanter ist.
Aufgefallen ist uns ein geringeres durchschnittliches Tiergewicht, das unter dem Sollgewicht liegt. Die Hintergründe sind uns noch nicht klar. Zum einen wurde das Sollgewicht bei nahezu Laborbedingungen festgelegt, also bei optimaler Temperaturführung im Stall und bei optimaler Fütterung und Wasserversorgung. Solche Standardbedingungen hat man bei mobiler Freilandhaltung nicht. Zum anderen kann das Körpergewicht von Natur aus variieren. Die Gründe können in der Genetik einer Hühnerrasse liegen oder in einer hohen Legeleistung oder in der größeren Aktivität.

A.C.: Wie stark ist der Trend zur mobilen Hühnerhaltung? Ist die Geflügelhaltungsform in Rheinland-Pfalz bzw. Deutschland im Umbruch?
D.P.: Ich sehe einen eindeutigen Trend. Alleine innerhalb des EIP-Projektes mit ausschließlich ökologischen Betrieben war im Zeitraum von 2017 bis 2020 die Zahl der mobilen Stalleinheiten von 17 auf 31 Stalleinheiten gewachsen. Unabhängig von dem Projekt finden wir heute in jedem Landkreis ein bis zwei mobile Ställe, sowohl in ökologischen als auch konventionellen Betrieben. Einerseits ist das ein positiver Trend, andererseits verlieren die Betriebe dadurch nach und nach ihr Alleinstellungsmerkmal und es besteht die Gefahr, dass man sich im Preiskampf gegenseitig unterbietet.
Bisher werden die Eier aus der mobilen Hühnerhaltung überwiegend direkt vermarktet, sei es in den Hofläden oder über regionale Automaten („Regiomaten“). Vereinzelt werden sie aber auch in Naturkostläden oder regionalen Supermärkten verkauft.
Bundesweit nahm das Land Niedersachsen bei der Mobilstallhaltung eine Vorreiterrolle ein. Die Haltungsform wird dort schon länger und im großen Stil praktiziert. In Rheinland-Pfalz tritt die mobile Hühnerhaltung gerade eben aus dem Nischen-Dasein heraus.


A.C.: Vielen Dank, Herr Pfeifer, für das Gespräch.


Quellen und weiterführende Informationen


Annette.Conrad@dlr.rlp.de     www,fze.rlp.de/ernaehrungsberatung